Österreich bei Umsetzung einer EuGH-Entscheidung säumig

Wien (OTS) - KonsumentInnen haben ein „lebenslanges“ Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen, wenn es im Vertrag eine mangelhafte Rücktrittsbelehrung gibt. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) vor mehreren Jahren festgestellt. Das hat zur Folge, dass VersicherungsnehmerInnen noch Jahre später vom Vertrag zurücktreten können, wenn bei diesen Versicherungen die Rücktrittsbelehrung falsch ist. Noch im Jahr 2019 hat der EuGH in einer weiteren Entscheidung klargestellt, dass eine Gesetzesregelung, die VersicherungsnehmerInnen anlässlich des Rücktritts nur den Rückkaufswert zugesteht, dem EU-Recht widerspricht. Das würde nämlich dem Instrument des Rücktrittsrechts jede praktische Wirksamkeit nehmen, weil man den Rückkaufswert ohnehin bei der normalen Vertragskündigung bekommen würde.

Für österreichische KonsumentInnen gilt aber nach wie vor die finanziell nachteilige und EU-rechtswidrige Bestimmung im Versicherungsvertrags-Gesetz, weil diese EuGH-Entscheidung bislang nicht umgesetzt wurde. So erhalten VersicherungsnehmerInnen beim Rücktritt fünf Jahre nach Vertragsbeginn weiterhin nur den niedrigen Rückkaufswert anstatt die Prämien samt Zinsen.

Ein Beispiel aus der Beratung zum Rückkaufswert: Bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung zahlte die Versicherungsnehmerin innerhalb von 17 Jahren Prämien in der Höhe von 13.776 Euro ein. Sie wollte vorzeitig kündigen und erfuhr, dass der Rückkauf-wert nur 10.831 Euro betrug.

Diese seit Jahren bestehende rechtliche Unsicherheit bei den Rechtsfolgen des Spätrücktritts in Österreich betrifft tausende VersicherungskundInnen. „Diese Rechtsunsicherheit ist den österreichischen Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht länger zumutbar“, sagt AK-Expertin Gabriele Zgubic.

Die AK wandte sich im Frühjahr 2021 an das zuständige Justizministerium, da nach fast eineinhalb Jahren die konsumentenfreundliche Entscheidung des EuGH noch immer nicht umgesetzt wurden. Die Antwort war enttäuschend und ließ nicht erkennen, dass es in absehbarer Zeit zu einer Gesetzesreparatur kommen würde. „Diese Haltung ist für uns unverständlich, weil in den AK KonsumentInnenberatungen österreichweit zahlreiche Anfragen und Beschwerden zur Kündigung bzw. zum Rücktritt von Lebensversicherungsverträgen einlangen – diesen Menschen können wir mangels tauglicher gesetzlicher Grundlagen keine Lösungen anbieten“, sagt Zgubic. Die AK fordert eindringlich den Gesetzgeber dazu auf, die unionswidrigen Regelungen zu beseitigen und dafür zur sorgen, dass den betroffenen KonsumentInnen im Falle einer rechtswidrigen Rücktrittsbelehrung, die zum unbefristeten Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrag berechtigt, nicht nur der niedrige Rückkaufswert, sondern die einbezahlten Prämien samt Zinsen auszuzahlen sind.