Die nahezu tägliche Twitter-Meldung des US-Präsidenten als marktbestimmender Einfluss-Faktor, ungelöste geopolitische Themen, unklare Wirtschaftszahlen und Zinsen bei Null oder darunter. Mehr denn je ist die Informationslage kompliziert und das Behalten eines klaren Blickes herausfordernd. Gerade in diesem Umfeld ist es essentiell, zwischen Strategie und Taktik zu trennen – egal ob diese Entscheidung die private Vorsorge betrifft oder eine milliardenschwere Fondsgesellschaft steuert. Die Strategie definiert weitgehend unabhängig von den Tagesinformationen die Grundsätze, die langfristigen Ziele und die daraus abgeleiteten Bandbreiten je Asset-Klasse, abgestimmt auf das Umfeld des Anlegers. Die Taktik versucht auf die Aktualitäten Rücksicht zu nehmen, ohne die Leitplanken der Strategie zu übersehen. Das Vermischen von Strategie und Taktik ist die perfekte Basis für Falschentwicklungen. Werden aus kurzfristigen Überlegungen langfristige Ziele über Bord geworfen, so ist das in keinem Bereich unseres Lebens empfehlenswert – und in der Geldanlage schon gar nicht. Versuchen wir daher sauber zu trennen.

Die Strategie. Lösen wir uns von den internationalen oder nationalen politischen Entwicklungen und blicken wir Richtung Horizont.

- „Japanisierung“ wird zunehmend zum Begriff für die Einschätzung der europäischen Zinslandschaft. Vergleicht man das heutige Umfeld vieler Länder Europas, vor allem auch was die Demografie betrifft, mit jenem von Japan vor etwa 20 Jahren, so ergeben sich viele Parallelen. Dies lässt den Schluss zu, dass wir endlich aufhören sollten, das aktuelle Umfeld als Zyklus zu bezeichnen und die Zinswende herbeizureden. Akzeptieren wir einen neuen Dauerzustand. Das europäische Gefüge aus Wachstumspotenzial, Verschuldung und Demografie lässt keine höheren Zinsen zu. Dies ist zentrale Basis jeder strategischen Geldanlageüberlegung.

- Die Weltwirtschaft insgesamt dagegen profitiert vom grundsätzlichen Wachstum der Weltbevölkerung und vom Aufholprozess zahlreicher Länder aus den EmergingMarkets. Lagen die Wachstumsraten der Weltwirtschaft in den vergangenen Jahren zwischen 3,5% und 4%, so sind in den kommenden Jahren eventuell 3% die Höchstmarke. Aber: Es ist immer noch Wachstum. Und es ist ein Umfeld, in dem gut geführte Unternehmen eine solide Wachstumsbasis vorfinden. Dies – mit der Ausgangsbasis von tiefen Zinsen kombiniert – unterstützt grundsätzlich die Aktienthese. Die strategische Frage ist daher nicht „ob“, sondern „wieviel“.

- Alleine die führenden Notenbanken FED, EZB und Bank of Japan haben seit 2008 mehr als 10.000 Milliarden US-Dollar in Anleihekäufe gesteckt. Versprochen war, diese aufgeblähten Notenbankbilanzen bei einer Normalisierung des Umfelds wieder zurückzuführen. Diese Rückführung findet nicht statt. Ob weil nicht machbar oder nicht gewollt, bleibt offen. Die sich eintrübenden Wirtschaftsindikatoren haben bereits im ersten Quartal 2019 dazu geführt, die Pläne über den Haufen zu werfen. In einem überstrapazierten Geldsystem mit Negativrenditen bei Anleihen bleiben Realwerte eine strategisch logische Antwort.

- Digitalisierung, der weltweite Handel über Plattformen wie Amazon, die mittelfristig wohl sinkende Bedeutung von Öl und Notenbanken, die sich Sorgen um das Wirtschaftswachstum machen. Mag sein, dass der Lohndruck aufgrund des vielerorts vorhandenen Arbeitskräftemangels zunimmt. Aber: Große Inflationssprünge sind nicht in Sicht, auch wenn das von manchen Crash-Propheten seit 10 Jahren angekündigt wird. In Zeiten von Inflationsraten unter dem historischen Schnitt ist es legitim, dass Sie auch an Ihre Geldanlagestrategie Performanceerwartungen unter dem historischen Schnitt stellen. Die aktuelle Inflationsmarke von etwa 2% stellt sozusagen das ‘Brot’ dar, alles darüber ist die ‘Butter aufs Brot’. Damit ist das strategische Umfeld skizziert.

Die Taktik. Die aktuellen Wachstumserwartungen der Wirtschaft wurden zuletzt neuerlich etwas nach unten revidiert, die Frühindikatoren signalisieren auch noch keine Trendwende. Vor allem die Entwicklung in Deutschland war zuletzt am klarsten negativen Revisionen unterworfen. Unmittelbar sind weder Aufschwung noch Rezession angesagt. Im Aktienmarkt ist daher aktuell keine massive Übergewichtung und keine massive Untergewichtung empfehlenswert. Taktisch sollte man mit mindestens 50% der persönlichen Höchstquote investiert sein und die weitere Entwicklung abwarten.

-Der Handelsstreit USA mit China hat die Ebene des politischen Zankes verlassen, mittlerweile sind die negativen Folgen für die Wirtschaft real. Ein Vollausbau der angedrohten Zölle würde das Wachstum von China um etwa 1% senken. Und dies in einem Umfeld, in dem die Analyse der asiatischen Handelsströme die Vermutung nährt, dass die ausgewiesenen Wachstumsraten wohl zu hoch sind. Der US-Präsident mag in vielen Dingen eine irritierende Meinung haben. In der Diskussion mit China sind die Fakten nicht ganz von der Hand zu weisen. Aus wahltaktischen Gründen würde Donald Trump eine Einigung mit China eventuell zu früh kommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Thema weiterschwelt und die Märkte belastet, bleibt daher hoch. In diesem Umfeld für das zweite Halbjahr 2019 eine klare wirtschaftliche Erholung zu sehen, gibt das rationale Datenmaterial aktuell einfach nicht her.

Der Rat für die Sommermonate. Taktisch scheinen für die kommenden Monate weder hoher Optimismus noch massiver Pessimismus logisch. Eine gewisse Vorsicht ist angebracht. In Aktien investiert sein? Ja. Die Höchstquote voll ausnützen? Derzeit Nein. Wie diese taktische Positionierung sich in Ihrem Depot darstellt, können Sie aber erst dann definieren, wenn Sie Ihre strategische Aufstellung für sich definiert haben. Bitte verwechseln Sie das nicht. 

 

Alois Wögerbauer zu Wien

Wie ist die aktuelle Strategie im 3 Banken Österreich-Fonds?

Man kann die Investments in mehrere Pakete unterteilen. Die Gewichtung der Immo-Titel wie CA-Immo, Immofinanz oder s Immo ist unverändert hoch. Wir sind aber in einem fortgeschrittenen Zyklus – es geht eher um „Ernten“ und weniger um Neuinvestments. Ebenso defensiv ist ein Paket an „Dividendenzahlern“. Mayr-Melnhof, Österreichische Post, Uniqa, Vienna Insurance – von all diesen Titeln sollte man sich keine Kursexplosionen erwarten, das ist bei Dividenden von 3% bis 6% aber auch nicht nötig. Als drittes kommt das Paket der Industrietitel wie voestalpine, Andritz oder Palfinger. Die Entwicklung der Kurse war in den letzten Quartalen eher enttäuschend, hier beschäftigen wir uns eher ohne Eile mit der Frage, wann wir zukaufen. Abgerundet wird dies mit Einzeltiteln wie Kapsch Traffic oder Lenzing, mit zuletzt gekauften Neuemissionen wie Marinomed oder Frequentis und auch mit einigen Auslandsösterreichern wie AMS, KTM oder S&T.

 

Was ist die Top-Holding des Fonds?

OMV ist derzeit an der Spitze. Die Risiken des Geschäftsmodells sind bekannt – von Öl- und Gaspreisen über Russland bis hin zum bekannten und politisch diskutierten Pipeline-Projekt. Aber: Für Investoren waren die Strategie und vor allem die häufigen Wechsel in der Strategie in der Vergangenheit oft nur bedingt nachvollziehbar. Das hat sich mit der aktuellen Führung geändert. Phase eins war ein doch deutlicher Portfolio-Umbau, Phase zwei wird jetzt wohl der Ertrags- und Dividendensteigerung gewidmet sein. Auf Basis der Erwartungen für 2020 reden wir von einem KGV von gut 6 und auch von einer Dividendenrendite Richtung 6%. Damit ist alles gesagt.

 

Wo liegen die Bewertungen in Summe?

Der kapitalgewichtete Durchschnitt der sich im Fonds befindlichen Titel ergibt auf Basis der Gewinnerwartungen für 2019 ein KGV von 11; dies ist doch klar unter dem globalen Schnitt. Noch beachtlicher ist aber die Dividendenrendite. Auf der Basis der geplanten Dividendenzahlungen 2019 ergibt sich eine Dividendenrendite von im Schnitt 3,9 Prozent. In einem Umfeld von Null- und Minuszinsen ist dies ein gewichtiges Argument. Wien wird mehr und mehr zu einem Dividendenmarkt. Man kann daher vieles diskutieren, vor allem die Liquidität. Für strategische Investoren ergibt sich aber eine spannende langfristige Ausgangssituation.

 

Was erwarten Sie bis Jahresende?

In den mittlerweile 17 Jahren, in denen ich den Fonds verantworte, habe ich mir abgewöhnt Prognosen für Wochen oder Monate zu machen. Dies ist nicht möglich – man denke nur an die Entwicklungen der vergangenen Monate in beide Richtungen. Ich halte mich eher an Warren Buffett. „Kaufe nur dann, wenn die Börse von nun an fünf Jahre schließen würde.“ Wer politisch die USA und Österreich in fünf Jahren führen wird, steht in den Sternen. Mein Vertrauen, dass sich die heimischen Unternehmen auch in fünf Jahren in ihren Nischen und Märkten gut behauptet haben werden, ist dagegen unverrückbar hoch.