Schneller Impfen, mehr Schutz vor den gefürchteten neuen Corona-Varianten: Bei einem Videogipfel suchen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen am Donnerstagabend eine gemeinsame Linie im weiteren Kampf gegen die Pandemie. Thema sind auch Vorschläge für einen europäischen Corona-Impfpass und damit möglicherweise verbundene Vorteile etwa beim Reisen.

Mit Blick auf Mutationen des Corona-Virus sagte Kanzleramtschef Helge Braun der Deutschen Welle, Deutschland wolle bei der Bekämpfung des Virus mit den Nachbarländern synchron handeln. Grenzschließungen in Europa wären "im Ergebnis der schlechte Weg". "Deshalb ist es ganz wichtig, dass im Europäischen Rat Vorsorge getroffen wird. Dass wir jetzt alle gemeinsam die Mutation möglichst stark unterdrücken."

In den 27 EU-Staaten sind die Impfungen später und langsamer angelaufen als in anderen Ländern. Es gibt bei weitem noch nicht genügend Impfstoff für alle Bürger. Dennoch hat die EU-Kommission ehrgeizige Ziele: Bis zum Sommer sollen 70 Prozent der Erwachsenen in der EU gegen das Virus immunisiert sein, bis März bereits 80 Prozent der Menschen über 80 Jahre und des Pflege- und Gesundheitspersonals.

Die Brüsseler Behörde hält das für machbar, zumal bald neue Impfstoffe auf den Markt kommen sollen. Ende nächster Woche könnte der Hersteller Astrazeneca die EU-Zulassung bekommen, in den Wochen danach womöglich die Mittel von Johnson&Johnson und Curevac. Zudem soll die Produktion der zugelassenen Mittel aufgestockt werden. Ab April sollen ausreichende Impfstoffmengen zur Verfügung stehen.

Sobald es genug Impfstoff gebe und der Nachweis vorliege, dass man nach einer Impfung andere nicht mehr anstecken könne, sollten Corona-Auflagen für Geimpfte rasch aufgehoben werden, forderte die FDP-Europapolitikerin Nicola Beer. "Für Bürger, die sich für das Impfen entscheiden, sollte unter diesen Bedingungen schnellstmöglich wieder das selbstbestimmte Leben ohne staatliche Einschränkung gelten." Sie nannte Reisen oder Besuche im Restaurant oder Museum. Doch halten viele EU-Staaten die Debatte über Privilegien für verfrüht, auch die Bundesregierung.

Immerhin wächst langsam die Zahl der Menschen in Deutschland, die sich gegen Covid-19 impfen lassen wollen. In einer Umfrage des Instituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sagten 67 Prozent, dass sie sich impfen lassen wollen - 40 Prozent sogar so schnell wie möglich. Weitere 27 Prozent haben das zwar fest vor, wollen aber noch mögliche Folgen der Impfungen abwarten.

Neben der anfangs langsamen Impfkampagne lösen vor allem die zuerst in Großbritannien und Südafrika entdeckten Virusvarianten bei vielen EU-Staaten große Sorgen aus, weil diese Mutationen ansteckender sind. Brüssel fürchtet, dass EU-Staaten zum Selbstschutz Grenzen abriegeln könnten, was den Austausch von Waren im Binnenmarkt bremsen könnte.

Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, mit Hilfe sogenannter Genom-Sequenzierungen gezielter nach Mutationen zu suchen. Zudem dringt sie auf eine einheitlichere Linie bei Lockdown-Maßnahmen.

Auch der Grünen-Politiker Sven Giegold forderte wegen der neuen Virusvarianten eine "Synchronisierung der Corona-Politik". "Europa braucht einen gemeinsamen Stufenplan mit möglichst einheitlichen Maßnahmen für gleiche Inzidenzwerte", sagte Giegold der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich betonte er: "Grenzschließungen sind keine europäische Corona-Politik, sie würden massiven Schaden anrichten."

Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder hatte Grenzkontrollen für "zwingend notwendig" erklärt, falls keine abgestimmte Corona-Politik mit den europäischen Nachbarstaaten gelinge. Im europäischen Schengenraum sind Grenzkontrollen eigentlich nicht vorgesehen./vsr/DP/stk

AXC0053 2021-01-21/06:19

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