Ab 2035 droht dem Verbrennermotor das Aus in der Europäischen Union. Zwar haben sich die Umwelt- und Klimaminister der EU noch eine Hintertür offengelassen, da in ihrem Beschluss nicht ausdrücklich die Rede von einem Verbot für Verbrennungsmotoren ist. Diese dürften weiterhin zugelassen werden, wenn sie synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) verwenden. Deren Herstellung ist klimaneutral, wenn dabei grüner Strom eingesetzt wird. Dennoch ist die Stoßrichtung klar: Um den Verkehr ab 2035 klimaneutral zu bekommen, sollen Benzin- und Dieselfahrzeuge aus dem Straßenbild verschwinden und durch E-Autos ersetzt werden. Die Frage ist allerdings, ob der umstrittene Vorschlag den Kohlendioxidausstoß nach 2035 tatsächlich deutlich verringern wird und ob das Gesetz überhaupt wie geplant umgesetzt werden kann.

Langfristig ist eine „One-Solution Strategie“ wie die einseitige Präferierung des E-Autos nicht unbedingt zielführend, da der Blick auf die gesamte Ökobilanz und der Wettbewerb um andere klimafreundliche Lösungen womöglich verloren geht. Was beispielsweise häufig vergessen wird: Ein E-Auto rollt nur dann klimasauber über die Straßen, wenn es an den Ladestationen mit grünem Strom geladen wird. Dies ist in Deutschland aber nicht der Fall. Im Gegenteil: Durch den Ukrainekrieg ist der Kohleanteil bei der Erzeugung von Strom wieder gestiegen.

Eine Frage der Ressourcen.

Zudem stellt sich die Frage, ob die EU ausreichend Zugang zu Ressourcen hat, damit 2035 wie geplant neun Millionen neue E-Autos pro Jahr produziert werden können. Zwar werden Batterien und E-Antriebe mit großem Aufwand weiterentwickelt, aber aktuelle Modelle verbrauchen noch doppelt so viel Kupfer und Mangan wie ein Verbrenner. Hinzu kommen große Mengen an Graphit, Nickel, Kobalt und Lithium. Insbesondere bei Lithium sind sich die Experten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) einig, dass zu wenig des begehrten Rohstoffs zur Verfügung steht. Mit über 21 Million Tonnen Reserven gibt es zwar genügend Lithium auf der Erde, aber in 2020 wurden weltweit nur 82.000 Tonnen gefördert. In zehn Jahren und der Zeit danach werden aber mehr als 550.000 Tonnen pro Jahr benötigt, um den erwarteten Bedarf abzudecken. Aktuell in Planung sind weltweit Projekte bis lediglich 275.000 Tonnen. Weil die Entwicklung eines Lithiumprojekts fünf bis zehn Jahre dauert, drängt die Zeit, um neue Projekte anzustoßen.

Um Lithium für Batterien verwenden zu können, muss es in Lithiumhydroxid umgewandelt werden. Bislang kommt das Material in der nötigen Reinheit fast ausschließlich aus China. Die weltweit größten Lithiumreserven gibt es in Bolivien, Argentinien und Chile. Kobalt wiederum wird zu 70 Prozent aus dem Kongo geliefert. Um nicht wieder in eine starke Abhängigkeit bei einzelnen Rohstoffen zu geraten (unsere Abhängigkeit von russischem Gas dient hier als mahnendes Beispiel) wird versucht, die Wertschöpfungskette bei der Batterieherstellung breiter anzulegen.

Zwei weitere Punkte schmälern die Ökobilanz und Attraktivität von E-Autos: Durch ihr hohes Gewicht und das starke Drehmoment beim Anfahren ist der Reifenverscheiß deutlich höher als bei einem Verbrenner. Reifenabrieb ist aber eine der größten Quellen für Mikroplastik in der Umwelt. Zudem gibt es in Europa erst 307.000 Ladepunkte, davon stehen die Hälfte in Deutschland und den Niederlanden. Deswegen müsste der Ausbau der Ladeinfrastruktur erheblich forciert werden.

Mit ihrer Entscheidung zum Verbrenner-Aus steht die EU weltweit alleine da. China will erst ab etwa 2060 keine Autoemissionen mehr zulassen, ab 2030 sollen 40 Prozent der verkauften Autos Elektro oder Hybrid sein. Indien, wo 2020 nur 4000 E-Autos verkauft worden sind, steht ebenfalls erst am Anfang der Entwicklung. In Lateinamerika werden Elektroautos wegen der schlechten Infrastruktur und der hohen Preise vorerst keine Rolle spielen und Brasilien setzt seit Jahren auf Biokraftstoffe. Auch in den USA ist kein Verbrenner-Aus geplant. Dort konzentriert sich das Wachstum in der Elektromobilität vor allem auf die Ballungsgebiete an der West- und Ostküste. Vor diesem Hintergrund werden die großen Autohersteller den Bau von Verbrennermotoren gar nicht einstellen können, ob dies die EU will oder nicht.

Auch das Thema Wartung und Service wird uns noch Jahrzehnte begleiten. Aktuell sind 59 Millionen Wagen herkömmlichen Antriebs alleine in Deutschland zugelassen. Weil moderne Fahrzeuge immer langlebiger werden, ist das Durchschnittsalter der Autos auf knapp zehn Jahre gestiegen. Die Zahl der Oldtimer (älter als 30 Jahre) hat sich in den vergangenen zehn Jahren auf 740.000 Autos verdreifacht. Wie robust Verbrenner sind, kann man in Kuba beobachten. Nach der Revolution von Fidel Castro 1959 sind keine neuen westlichen Autos importiert worden, deshalb prägen noch immer viele Autos aus vorrevolutionären Zeiten das berühmte Straßenbild Havannas.

Aufgrund der Knappheit bei Batterierohstoffen, des äußerst dünnen Ladenetzes und der Frage, ob bis 2035 ausreichend grüner Strom zum Laden der Elektroautos verfügbar ist, gibt es große Zweifel, ob die EU ihre selbstgesteckten Ziele erreichen kann. Daher wären eine längere Übergangszeit, eine größere Flexibilität und ein umfassenderer Blick auf die CO2-Bilanz von E-Autos empfehlenswert. Eine Lösung könnten beispielsweise moderne Hybridautos sein – elektrisch in der Stadt und mit Verbrenner auf Landstraßen und Autobahnen sind sie verbrauchsarm.

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Aus dem Börse Express PDF vom 28.07. hier zum Download

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