Volkswagen (WKN: 766403) ist nicht nur weniger wert als die Porsche AG (WKN: PAG911), sondern optisch auch extrem billig. Hohe Gewinne und eine stolze Dividendenrendite sind für Anleger jedoch nicht genug Anreiz, um in den Konzern zu investieren. Man könnte dies als Misstrauen gegenüber dem neuen CEO Oliver Blume deuten. Oder sogar versteckte Risiken vermuten.

So grotesk billig ist die VW-Aktie derzeit

Volkswagen besitzt drei Viertel der Anteile an Porsche, die allein schon rund 60 Mrd. Euro wert sind an der Börse. Alles andere kommt damit in Summe auf lediglich etwa 20 Mrd. Euro (Stand: 6. Oktober). Darin enthalten sind
– weitere erfolgreiche Luxusmarken wie Audi, Bentley und Lamborghini,
– Volkswagen mit Sitz in Wolfsburg und Volkswagen China,
– Volkswagen Nutzfahrzeuge, die Anteile an Traton (WKN: TRAT0N) und MAN Energy Solutions,
– die boomende Marke Skoda sowie Seat und Ducati,
– eine Reihe von aussichtsreichen Beteiligungen rund um Ladenetze, Mobilitätsdienste und Energiespeicher,
– Komponenten, Finanzdienstleistungen und das Miet- und Gebrauchtwagengeschäft.

Die Liste ließe sich noch verlängern. Ich denke, dass allein die anderen Luxusmarken bereits mindestens auf Augenhöhe mit Porsche sind. Und die Kernmarke Volkswagen, die volumenmäßig ein Vielfaches größer ist, sollte ebenfalls gut mithalten können. Alle weiteren Fahrzeugsparten von Motorrad bis 40-Tonner dürften daneben in einer ähnlichen Größenordnung anzusiedeln sein, genauso wie all das Finanz-, Beteiligungs-, Energiespeicher-, Plattform- und Infrastrukturgeschäft.

Grob kalkuliert komme ich so auf vier Pakete, die in meinen Augen jeweils mit Porsches Gesamtwert vergleichbar sind, aber zusammen nur 20 Mrd. Euro auf die Waage bringen – statt über 300 Mrd. Euro, wie die Überschlagsrechnung nahelegt. Das ist zunächst verwirrend.

Doch tatsächlich könnte die VW-Aktie auf eine Bewertung zwischen 300 und 400 Mrd. Euro kommen. Dafür müsste „nur“ das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf ein ansprechendes Niveau angehoben werden. 2021 lag der Gewinn je Aktie bei knapp 30 Euro und für dieses Jahr werden sogar bis zu 35 Euro je Anteil erwartet. Schon ein durchaus handliches KGV von 15 würde da genügen, um die Marktkapitalisierung in diesen Bereich zu hieven.

Doch stattdessen liegt es bei unter 4. Das ist rein mathematisch gesehen der Grund, warum die VW-Gruppe einschließlich ihrer Mehrheitsbeteiligung Porsche zwischenzeitlich eine geringere Marktkapitalisierung aufwies als diese.

Was hinter der außergewöhnlich tiefen Bewertung stecken könnte

Wie wir oben gesehen haben, sollten die operativen Geschäftsbereiche der Volkswagen-Gruppe eigentlich mit dem Vielfachen der aktuellen Marktkapitalisierung bewertet werden. Tatsache ist jedoch, dass der Markt es anders einschätzt. Was also steckt dahinter?

Was man auf alle Fälle beachten muss, sind die Schulden. An dieser Front ist Porsche relativ schlank aufgestellt, während VW ein riesiges Rad in Schwung halten muss. In der Bilanz steckt zwar ein Eigenkapital, das den Börsenwert bei Weitem überragt, aber auch Fremdkapital in Höhe von über 380 Mrd. Euro, davon 173 Mrd. Euro kurzfristige Schulden zum 30. Juni.

Wenn es gut läuft wie zuletzt, dann fällt VW die Refinanzierung leicht. Das Zusammenspiel aus gutem Kapitalmarktzugang und hohen Cashflows erlaubt es, auf großem Fuß zu leben.

Aber was, wenn die Rezession zuschlägt, die Ergebnisse in die roten Zahlen abrutschen und die Zinsen genauso wie die Risikoprämien steigen? Wird weniger verkauft, dann schrumpfen die Margen und die Barmittelzuflüsse. Zudem fallen etwaige Ausschüttungen der etablierten Beteiligungen aus, während der Kapitalbedarf für die wachstumsorientierten Beteiligungen noch steigt.

Wenn also alles Schlechte zusammenkommt, dann könnte sich die Lage von VW recht schnell drastisch ändern. Zumal das Damoklesschwert der Energiekrise ebenfalls auf dem Konzern lastet. Die wichtige europäische Produktionsbasis steht vor großen Herausforderungen.

Weitere Risiken betreffen den immer intensiveren Wettbewerb. Marktbeobachter sprechen mittlerweile davon, dass VW seine überragende Position in China verlieren wird. Gleichzeitig drängen asiatische Marken auf den Heimatmarkt und westliche Start-ups besetzen neue Nischen.

Was Anleger daraus machen sollten

Ja, die VW-Aktie ist nicht nur optisch wahnsinnig günstig. Dennoch sollten wir hier nicht die Risiken ignorieren. Dass Volkswagen im schwachen Marktumfeld ein Viertel von Porsche losgeschlagen hat, zeigt deutlich, dass das Management den Ernst der Lage erkannt hat. Auf diese Weise kann VW seinen Kapitalbedarf zunächst aus eigenen Mitteln stemmen.

Neben den laufenden Verpflichtungen werden zwar weiterhin viele Milliarden notwendig sein, um sich gegen den massiv aufkommenden Wettbewerb zu behaupten. Positiv dabei ist allerdings, dass VW die erfolgreichen letzten Jahre genutzt hat, um sich bei wichtigen Zukunftsthemen wie zum Beispiel Batterien in der Spitzengruppe zu positionieren.

Insgesamt scheint der Markt zu viele Risiken einzupreisen und den Chancen zu wenig Gewicht beizumessen. Das heißt nicht, dass die Volkswagen-Aktie schon in Kürze 300 oder sogar 400 Mrd. Euro wert sein wird. Aber dass sie Porsche von diesem tiefen Niveau aus auf lange Sicht abhängen kann, das glaube ich schon.

Der Artikel Volkswagen-Aktie billig wie selten: Trügt der schöne Schein? ist zuerst erschienen auf The Motley Fool Deutschland.

Unsere Top-Aktie für das Jahr 2022

Es gibt ein Unternehmen, dessen Name zurzeit bei den Analysten von The Motley Fool sehr, sehr häufig fällt. Es ist für uns DIE Top-Investition für das Jahr 2022.

Du könntest ebenfalls davon profitieren. Dafür muss man zunächst alles über dieses einzigartige Unternehmen wissen. Deshalb haben wir jetzt einen kostenlosen Spezialreport zusammengestellt, der dieses Unternehmen detailliert vorstellt.

Klick hier, um diesen Bericht jetzt gratis herunterzuladen.

Ralf Anders besitzt keine der genannten Aktien. The Motley Fool besitzt und empfiehlt Aktien von Porsche Automobil Holding und Volkswagen AG.

Motley Fool Deutschland 2022