Fakt ist, dass letzte Woche die EU eine Absichtserklärung emittierte, sich in 2021 mit Änderungen und Anpassungen von MiFID II beschäftigen zu wollen. Das erklärte Ziel sei es, Small- und Mid-Cap-Unternehmen Unterstützung zu liefern und überhaupt, eh’ klar, was soll’s, wir helfen ja wo wir können, nicht wahr. So die Erklärung. Im Kleingedruckten des Textes erstickte dann schon der Jubelschrei, denn da drin war wieder einmal gespickte Oberflächlichkeit vom Feinsten und das schon zuvor erlebte Nirvana an Kapitalmarktverständnis erkennbar. Die Maßnahmen sind zwar auf kleinere Unternehmen gerichtet, sollen aber erst unter einer Marktkapitalisierung von 1 Mrd. Euro wirken dürfen. Dann nämlich werden Investoren von den Kosten für Research und auch Nachweisen universeller Prüfroutinen vor einer Ordererteilung soft befreit. Alles was über dieser Milliarde liegt bleibt MiFID II umschlungen. Selbst für einen absoluten Kapitalmarktlaien stellt sich daher die Frage, welchen Anreiz Analysehäuser da überhaupt noch haben sollen, genau diese kleineren Werte zu analysieren? Klar, die Investoren freut es, aber wieviel Micro-Cap-Spezialisten gibt es überhaupt in diesem Euroland, die dann ihre Researchkosten nicht mehr haben, weil sie alles wieder wie zuvor als „Service“ geschenkt bekommen? Was machen die Analysehäuser dann, wenn die wenigen Analysten die zusätzlich zu den europäischen Stahlwerten auch die AMAG analysieren? Schmeißen die die Aktie aus dem Universum raus, weil sie halt nur 950 Mio. auf die Waage bringt und man als Analyst daher nichts mehr daran verdient?

Diese ganzen Absichtserklärungen wirken daher nur kurz. Sie überleben den Erkenntnisgewinn der Leser gerade um Sekunden. Abgelegt im Haufen der bisherigen Enttäuschungen. Ignorieren als trainierter Schutzreflex die Folge. Und dann entsteht sogar die Sorge davor, dass es wirklich zu einer Änderung kommt, denn danach wird sich definitiv so schnell nichts mehr ändern. Dann haben wir den Irrsinn, der den Small-und Mid-Caps von halb Europa, samt den zugehörigen Brokern, samt den diese Werte in ihr Universum einbeziehenden Investoren, samt den diese Werte oder Fonds kaufenden Privatkunden und Institutionellen, ohnehin schon täglich beschert wird fix importiert. Auf eventuelle Verbesserungen oder spätere Erkenntnisgewinne braucht man da definitiv nicht mehr hoffen. Die Geisteshaltung ist dann in Stein gegossen, dass sich Segmente innerhalb von Kapitalmärkten in pauschale Verhaltensregeln einbetonieren lassen und Transparenz und Vernunft ohnehin nur Schwärmereien von Romantikern sind, die ohne ordnende Hand von Politikern, die wahrscheinlich noch nie Wertpapiere besessen oder schon gar selbst investiert hatten, unweigerlich ins Verderben stürzen würden. Hilfe!

Vor kurzem hatte ich zwei diesbezügliche Schlüsselerlebnisse. Das Erste war eine kurze und ernsthafte Diskussion über die Komplexität unseres Steuersystems das, aus der Erkenntnis dieser Diskussion, die Komplexität vielleicht nur zum eigenen Bestehen aufrechterhält. Und das Zweite war ein Gespräch mit einem ausländischen Journalisten, der ob der massiven Underperformance unseres Heimatmarktes ernsthaft auf der Suche nach den Ursachen dafür war. Interessant dabei war, zu erkennen, wie weit eine Unterbewertung auch unentdeckt bleiben kann. Wenn sich die ganze Welt um Aber-Milliarden an Zuschüssen und Förderungen kümmert, die kleinen Börsenplätze übersehen werden. Die großen Investmenthäuser investieren über die „Hidden Beauties“ drüber hinweg und sind es, die sich dann später (hoffentlich) am Kopf kratzen, wenn sie erkennen werden, dass es da so ein kleines Land inmitten Europas gibt, wo man noch richtig gute Investments bekommt (auch ohne Zaubertrank). Nicht Trades, Investments.

Und in solchen Phasen ist sogar MiFID II egal.