BÖRSE EXPRESS: Ihre Kollegen – siehe hier – wählten Sie zum CEO des Jahres in der Kategorie International. Dabei ist mit die relative Kursentwicklung der Aktie gegenüber der Branche entscheidend. Jetzt wurde Wienerberger auch wegen dieses Punkts kürzlich von einem Aktionär kritisiert, der eine schnellere/bessere Entwicklung fordert. Wer ‚irrt‘ hier – oder wie sehen Sie die Mitte, in der in der Regel die Wahrheit liegt.

WILLY VAN RIET: Als Vorstand der Wienerberger AG ist es unser oberstes Ziel an der nachhaltigen Wertsteigerung des Unternehmens zu arbeiten. Wir haben eine klare Wachstumsstrategie definiert, die auf drei Säulen – Operational Excellence, organisches Wachstum sowie Wachstumsprojekte und Portfoliooptimierung – aufbaut und die wir konsequent umsetzen. Ein sehr wesentlicher Aspekt dieser Strategie ist auch die Sicherstellung eines attraktiven Shareholder Return für unsere Aktionäre.

Die Steigerung der Dividende um 150 Prozent seit 2012 belegt nachdrücklich unser klares Bekenntnis, die Aktionäre durch steigende Dividenden am Unternehmenserfolg zu beteiligen. Darüber hinaus setzen wir auf das Wertschaffungspotenzial von Aktienrückkäufen, um unsere auf nachhaltige Steigerung ausgelegte Dividendenpolitik zu komplementieren. So haben wir im November 2018 ein Aktienrückkaufprogramm initiiert, das wir im Jänner 2019 erfolgreich abgeschlossen haben und rund 1 Prozent des Grundkapitals im Wert von 22,0 Mio. Euro erworben. Diese Aktien planen wir nun einzuziehen. Wir wollen Wert für unsere Aktionäre schaffen und geben so das Kapital an unsere Aktionäre zurück.Zudem war die Wienerberger Aktie im letzten Jahr einer der Top-Performer im Branchenvergleich und auch im Vergleich zum ATX haben wir uns um neun Prozentpunkte besser entwickelt. Allerdings können auch wir uns nicht vollständig vom Finanzmarktumfeld und Marktsentiment entkoppeln.

 

BÖRSE EXPRESS: Sie sind seit 12 Jahren CFO bei Wienerberger – mit einigen Höhen und Tiefen. Was zeichnet aus Ihrer Sicht einen guten CFO aus? Wie haben sich die Anforderungen an CFOs in dieser Zeit verändert? Und was würde ein Willy Van Riet heute nicht mehr tun, was er vor 12 Jahren durchaus tat?

WILLY VAN RIET: Ein guter CFO muss wie jeder andere Manager flexibel sein. Das haben mir die Anfangsjahre im Vorstand der Wienerberger AG sehr deutlich gezeigt. Auf die noch boomenden Jahre 2007/2008 folgte unmittelbar die harte Zeit der Finanzkrise. Das erforderte in vielen Bereichen eine rasche Anpassung an ein neues Umfeld und geänderte Anforderungen. Jetzt setzten wir die volle Kraft auf die Umsetzung unserer Strategie.

 

BÖRSE EXPRESS: Vielleicht ein paar Worte zu Ihrer bisher schwersten Management-Entscheidung?

WILLY VAN RIET: Zu den schwierigsten Entscheidungen gehörte sicherlich der Mitarbeiterabbau in den Krisenjahren.

 

BÖRSE EXPRESS: Der nach 2008 eingeleitete Restrukturierungskurs wird vermehrt durch einen Wachstumskurs abgelöst – in welchem Umfeld fühlen Sie sich wohler – heißt: schauen Sie lieber auf Kosten, oder beschaffen lieber Geld?

WILLY VAN RIET: Für mich zählt, dass das Geld sinnvoll investiert wird und wir gute Ergebnisse lukrieren.

 

BÖRSE EXPRESS: Ihr Stressabbau erfolgt wie?

WILLY VAN RIET: Ich genieße die Zeit mit meiner Frau, meinen Kinder und meinen Enkelkinder. Als Belgier bin ich jedoch auch leidenschaftlicher Rennradfahrer.

 

BÖRSE EXPRESS: Wienerberger ist jenes Unternehmen unter den Top-ATX-Werten, das am wenigsten durch einen oder mehrere Kernaktionäre relativ gegen feindliche Übernahmen geschützt ist. Ist Wienerberger am internationalen Parkett so interessant, dass es da immer wieder Gespräche zu führen gibt? Und spielt dieser Umstand in der Finanzgebahrung des Konzerns irgendeine Rolle?

WILLY VAN RIET: Die Wienerberger ist ein sehr profitables Unternehmen. Es obliegt den Aktionären zu beurteilen, ob die Leistung passt. Dass die Entwicklung der Wienerberger-Gruppe sehr positiv wahrgenommen wird zeigt, dass viele internationale Aktionäre sehr langfristig investiert sind.

 

BÖRSE EXPRESS: Drehen wir den Spieß um: ein Wachstumsprojekt sind Betonflächenbefestigungen in Osteuropa. Da könnte die SW Umwelttechnik eigentlich dazu passen. Ein mögliches Thema?

WILLY VAN RIET: Wie Sie wissen, ist der Ausbau unserer Aktivitäten in wachstumsstarken Märkten und Marktsegmenten eine unserer klaren Zielsetzungen. Wir haben im vergangenen Jahr viele Chancen genutzt und einen Ziegelproduzenten in den Niederlanden, einen Rohrspezialisten in Norwegen, ein Werk für Flächenbefestigungen in Rumänien und einen Ziegelproduzenten in den USA übernommen. Wir fokussieren uns ganz klar auf Unternehmen mit margenstarken Produkten, die wir rasch in unser bestehendes Portfolio integrieren können.

 

BÖRSE EXPRESS: Was ist bei Roadshows die am häufigsten gestellte Frage? Und wie Ihre Antwort?

WILLY VAN RIET: Die Fragen beziehen sich hauptsächlich auf die Unternehmensstrategie unser Optimierungsprogramm Fast Forward 2020, unsere Zielsetzungen und wie wir diese erreichen.

Dazu lässt sich sagen, das operative Geschäft von Wienerberger verläuft äußerst zufriedenstellend. Das kontinuierliche Wachstum der Wienerberger Gruppe bestätigt die entschlossene Umsetzung unserer Unternehmensstrategie mit den drei Eckpfeilern Operational Excellence, organisches Wachstum sowie Wachstumsprojekte und Portfoliooptimierungen. Diese treiben wir konsequent und zügig voran. Bei Operational Excellence arbeiten wir daran, schneller als ursprünglich vorgesehen unsere Ziele zu erreichen. Bis 2020 wollen wir das operative Ergebnis im Vergleich zu 2017 um 120 Mio. Euro verbessern. Um die Zielerreichung sicherzustellen und unseren Fortschritt transparent zu kommunizieren haben wir zu diesem Zweck das Fast Forward 2020 Programm initiiert. Wir intensivieren damit unsere Maßnahmen und verbessern laufend unsere Prozesse und machen unsere Produktion und Organisation noch effizienter. Ein Beispiel ist dies Manufacturing Excellence Initiative, durch die wir nachhaltig unsere Kostenstruktur und Effizienz verbessern. Die bisherigen Ergebnisse dieser Arbeit sind vielversprechend. Ebenso wollen wir noch rascher Wachstumschancen durch Unternehmenszukäufe in strategisch interessanten Geschäftsfeldern und Märkten wahrnehmen. Wir sind also voll auf Kurs, um unsere Ziele zu erreichen.

 

BÖRSE EXPRESS: Wienerberger ist vor allem in den westlichen Industriestaaten breit aufgestellt. Wie beurteilen Sie in Summe die konjunkturelle Lage – sind etwa auftauchende Befürchtungen einer US-Rezession gerechtfertigt?

WILLY VAN RIET: Der Finanzmarkt geht davon aus, dass eine Rezession und das Ende des Zyklus bevorsteht. Allerdings hat man den Eindruck, als ob sich der Finanzmarkt und die Realwirtschaft entkoppelt hätten. Natürlich gibt es geopolitische und damit verbundene wirtschaftliche Risiken, aber diese sind in der Realwirtschaft noch nicht angekommen. Osteuropa läuft nach wie vor gut, die Konjunktur floriert, der Bedarf an Wohnraum und Infrastrukturinvestitionen ist aus unserer Sicht auch über die nächsten 12 Monate groß. Auch in Westeuropa gibt es Bedarf. Im Vergleich zu 2008, also vor der Finanzkrise, wird in all unseren Absatzregionen noch immer weniger gebaut als damals. Auch in den USA. Die Märkte sind insgesamt gesünder: geringere Verschuldung, weniger riskante Finanzierungen.

 

BÖRSE EXPRESS: Hat diese, Ihre Einschätzung der konjunkturellen Lage, Auswirkungen auf etwa die Finanzgebahrung der Wienerberger?

WILLY VAN RIET: Wir sind sehr gut und solide aufgestellt.

 

BÖRSE EXPRESS: 2021 könnten Sie das ausgegebene Hybrid-Kapital kündigen. Wie sind Ihre Pläne für die Refinanzierungsstruktur danach?

WILLY VAN RIET: Wir evaluieren die Strukturierung unserer Finanzierung laufend, unser Ziel ist es diese so nachhaltig wie möglich auf zu stellen, die Finanzierungskosten zu senken und ein ausgewogenes Fälligkeitsprofil sicher zu stellen. Das heißt, wir prüfen Refinanzierungsmöglichkeiten aus einem diversifizierten Portfolio uns zu Verfügung stehender Finanzinstrumente.

 

BÖRSE EXPRESS: Ich komme wieder zur breiten Aufstellung – und dem Stichwort Digitalisierung. Wie gehen Sie mit dem Thema Cybercrime um, was durch die breite regionale Aufstellung sicher erschwert wird. Und gleichzeitig, wo liegen die Chancen darin. Und wie sehen Sie sich beim Thema Industrie 4.0 im Vergleich zur Konkurrenz aufgestellt?

WILLY VAN RIET: Sicherheit ist ein großes und wichtiges Thema. Wir haben ein zentrales Team, dass sich ausschließlich dem Thema Cybercrime und Datensicherheit widmet sowie IT-Spezialisten in der gesamten Gruppe, machen laufend Schulungen für Mitarbeiter, denn der Faktor Mensch spielt auch bei Cybercrime eine wichtige Rolle. Damit sind wir gut aufgestellt.

Wenn wir die Bauindustrie gesamt mit der Automobilindustrie vergleichen, dann gibt es in unserem Bereich noch großes Potenzial. Für uns ist die Digitalisierung schon seit Jahren eines unserer Kernthemen. Wir sehen uns hier ganz klar als Gestalter des digitalen Wandels und nehmen in unserer Industrie eine führende Rolle ein. Wir sind also im Vergleich zur Konkurrenz sehr gut aufgestellt. Stichwort Industrie 4.0: Dabei ist die vorher von Ihnen angesprochene Regionalität sogar ein Vorteil - wir testen Optimierungen in der Produktion beispielsweise an einem Standort und können dann ganz schnell ausrollen.

 

BÖRSE EXPRESS: Sie haben zuletzt das EBITDA-Jahresziel für heuer von 450 bis 470 auf 460 bis 470 eingegrenzt. Was war der Gedanke dahinter? Eine positive Gewinnüberraschung wird dadurch ja erschwert, oder sind die Vorschriften mittlerweile derart?

WILLY VAN RIET: Überraschungseffekte sollte in einer seriösen Kommunikationsstrategie kein Faktor sein. Wienerberger kommuniziert transparent, so auch in diesem Fall - das wird vom Kapitalmarkt sehr positiv gesehen und geschätzt.

 

BÖRSE EXPRESS: Wenn man die Meldungen der Baukonzerne ansieht, leiden diese – auf hohem Niveau – unter fehlenden Kapazitäten und den daraus folgenden Preissteigerungen. Wo auf dieser Ebene bewegt sich eigentlich Wienerberger als Zulieferer? Spüren Sie diese Engpässe auch, zumindest indirekt?

WILLY VAN RIET: Das stimmt - Engpässe sind in gewissen Regionen spürbar. Allerdings handelt es sich dabei hauptsächlich um Engpässe im verarbeitenden Bereich. Der Mangel an Facharbeitern wirkt sich vor allem auf die Geschwindigkeit in der Umsetzung aus. Das spüren wir da und dort indirekt.

 

BÖRSE EXPRESS: Woher kommt es eigentlich, dass die europäische Baukonjunktur seit Jahren besser als die Gesamtwirtschaft läuft – und laut letzter Prognosen auch weiter tun wird? Welche Faktoren sind dafür verantwortlich?

WILLY VAN RIET: Die Entwicklung der Baukonjunktur ist eng mit dem Konsumvertrauen verknüpft und dieses ist positiv. Zudem gibt es im Baubereich noch immer einen Nachholbedarf. Im Vergleich zu 2008, also vor der Finanzkrise, wird in all unseren Absatzregionen noch immer weniger gebaut als damals. Ein konkretes Beispiel: in Großbritannien wurden 2008 rund 220.000 Einheiten gebaut, diese Zahl fiel nach 2009 auf 80.000. Heute steht der Markt bei 165.000 Einheiten.

 

BÖRSE EXPRESS: Letzte Frage, die aber vielleicht zu sehr ins Marketing hineinreicht: Wie glücklich sind Sie über den Namen der neuen Konzernzentrale, wo Sie seit Jahren am Kapitalmarkt dafür kämpfen, nicht mehr als Ziegel-, sondern Baustoffkonzern gesehen zu werden?

WILLY VAN RIET: Wir freuen uns sehr darüber bald in unser neues Hauptgebäude umzuziehen - vor allem wieder an dem geschichtsträchtigen Ort an dem vor 200 Jahren das Unternehmen mit seiner Ziegelproduktion den Anfang nahm. Der Name ist sprechend - die Fassade des Gebäudes wird mit Vormauerziegeln gestaltet sein. Ein wunderschönes und modernes Modell, das wir in einem unserer Standorte in Deutschland produzieren. Ich kann Ihnen aber versichern, dass auch andere unserer Produkte zu Einsatz kommen. Darauf sind wir stolz.