FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach der wochenlangen Gewinnserie seit Anfang Oktober hat es der deutsche Aktienmarkt zuletzt ruhiger angehen lassen. Dieses Muster habe sich in zahlreichen früheren Erholungsphasen nach Bärenmärkten beobachten lassen und sei durchaus gesund, sagte Helaba-Marktanalyst Markus Reinwand. Mit der jüngsten Erholung habe sich auch die Stimmung der Anleger deutlich verbessert - ohne dass eine Überhitzung zu beobachten sei. "Die Aktienmärkte blicken immer stärker durch das kommende Konjunkturtief hindurch. Dabei haben sie bereits einen 'ordentlichen Schluck aus der Pulle' genommen. Die Zeichen stehen in der kommenden Woche auf Beruhigung", glaubt Commerzbank-Analyst Andreas Wex.

Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater geht davon aus, dass sich die Entspannungsphase am deutschen Markt fortsetzt und sich die Perspektive für die Jahresschlussbilanz noch etwas aufhellt. "Die Inflation zeigt erste Anzeichen der Trendumkehr, Notenbanken überbieten sich nicht mehr gegenseitig mit neuen restriktiven Ankündigungen und das Zinsniveau ist von seinen Jahreshöchstständen wieder deutlich gesunken", sagte Kater. Zudem könnten die realwirtschaftlichen Folgen der hohen Energiepreise geringer ausfallen als noch vor Wochen befürchtet.

Dass sich der Dax mit diesen Perspektiven über der Marke von 14 000 Punkten gehalten habe, müsse noch nicht der Anfang eines nachhaltigen Aufschwungs sein. Dies zeige aber, "dass viele Anleger in den Startlöchern stehen, um bei einer dauerhaften Verbesserung des wirtschaftlichen Umfeldes wieder zu investieren", so Kater. Immerhin ist der deutsche Leitindex bereits ganz nah an das Niveau vor dem Ukraine-Krieg herangerückt.

Helaba-Experte Reinwand sieht in dem Umstand, dass vor allem Privatanleger die jüngste Rally getragen hätten und institutionelle Investoren noch immer untergewichtet seien, weiteres Nachfragepotenzial. "Natürlich hat sich durch den deutlichen Kursanstieg - seit dem Tief Ende September hat der Dax gut 20 Prozent zugelegt - die Bewertung etwas erhöht. Dennoch notiert der deutsche Leitindex noch unter seinem fairen Wert von aktuell 14 700 Punkten", gibt Reinwand zu bedenken.

Nach Ansicht des Kapitalmarktstrategen Jürgen Molnar von Robomarkets fehlt derzeit nur "der entscheidende Impuls, der darüber entscheidet, ob aus der Herbst- eine Jahresendrally wird oder der Dax eine gesunde Korrektur eventuell auch zurück zur 200-Tage-Linie absolviert und damit Kraft für einen hoffentlich entspannteren Start ins Börsenjahr 2023 sammelt". Die 200-Tage-Linie gilt als Indikator für den längerfristigen Trend.

An den Märkten warten Anleger auch auf Beschlüsse des Treffens von Ölstaaten, die sich im Verbund Opec+ zusammengeschlossen haben. Am Sonntag wollen die Förderländer über ihre Produktionspolitik beraten. Es wird damit gerechnet, dass die rund 20 Länder an ihrer bisherigen Linie festhalten. Anfang November hatte der Ölverbund die Produktion spürbar verringert und damit auf einen Rückgang der Ölpreise reagiert.

Aus Konjunktursicht hält die neue Woche nicht allzu viel Spektakuläres bereit. So stehen am Montag die finalen deutschen Einkaufsmanagerindizes für November auf der Agenda. Am Dienstag folgen die deutschen Auftragseingänge und am Mittwoch die Industrieproduktion, jeweils für Oktober. In der Eurozone könnten am Montag die Oktober-Einzelhandelsumsätze sowie am Mittwoch das finale Bruttoinlandsprodukt für das dritte Quartal für Aufmerksamkeit sorgen.

In den USA richten sich die Blicke am Montag auf die Auftragseingänge für Oktober sowie den ISM-Einkaufsmanagerindex. Am Freitag stehen die Erzeugerpreise für November sowie das Uni-Michigan-Verbrauchervertrauen für Dezember auf der Tagesordnung. In China werden am Montag der Einkaufsmanagerindex, am Mittwoch die Handelsbilanz und am Freitag die Inflationsdaten für November veröffentlicht.

"Kommende Woche ist sozusagen die Ruhe vor dem Sturm der Folgewoche", kommentierte Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck. Er verwies dabei auf die in der übernächsten Woche anstehenden US-Inflationszahlen, die Notenbanksitzungen der Fed und der EZB sowie auf den ersten EU-Gipfel mit der neuen rechtsgerichteten italienischen Regierungschefin.

Unternehmensseitig dürfte es in der neuen Woche relativ ruhig zugehen, zumal die Berichtssaison nahezu vorbei ist. Am Dienstag könnten die Kapitalmarkttage des Versicherers Talanx und des Spezialverpackungsherstellers Gerresheimer Neuigkeiten bringen. Am Freitag wartet Carl Zeiss Meditec mit Zahlen zum Geschäftsjahr 2021/22 auf./edh/jsl/jha/he

--- Von Eduard Holetic, dpa-AFX ---

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