Die Lage von Bombardier (WKN: 866671) ähnelt der von thyssenkrupp (WKN: 750000). Einst war es das Aushängeschild der kanadischen Industrie und heute wird das Tafelsilber verkauft, um den Kopf über Wasser halten zu können. Nach wochenlangen Gerüchten und Spekulationen, wie es bei dem Flugzeug- und Bahntechnikkonzern weitergeht, scheint nun eine Entscheidung gefallen zu sein. Die auch in vielen deutschsprachigen Regionen fahrenden Züge sollen unter das Dach von Alstom (WKN: A0F7BK) schlüpfen.

Nach der Erfahrung der Franzosen mit der Mobility-Sparte von Siemens (WKN: 723610) kommt sofort die Frage auf, warum das diesmal funktionieren soll. Handelt es sich um einen schlauen Schachzug oder fährt Alstom ein weiteres Mal mit seinen Zügen gegen eine Wand?

Was Alstom sich von dem Deal verspricht

Nachdem Alstom seine Power-Sparte im Jahr 2015 in weiser Voraussicht noch vor dem Niedergang der fossilen Turbinenindustrie bei General Electric (WKN: 851144) untergebracht hatte, wurde aus dem französischen Traditionskonzern ein Spezialist für Bahntechnik, der vor allem in Europa hohe Marktanteile behauptet. Weil sich allerdings China über die letzten 20 Jahre als übermächtige Rivale etabliert hat, suchen die einstigen Marktführer den Schulterschluss.

Siemens (WKN: 723610) hatte vor einiger Zeit bei Bombardier angefragt, man konnte sich jedoch nicht auf die Fusionsbedingungen einigen. Aus Frankreich kam dann später eine Zusage, aber diese Elefantenhochzeit gefiel den europäischen Wettbewerbshütern nicht. Nun versuchen es Bombardier und Alstom, wobei die Kanadier sich aufgrund von diversen Fehlschlägen zum Juniorpartner degradiert sehen.

Alstom gibt sich überzeugt, dass ihre strategische Roadmap mit dem Zusammenschluss beschleunigt umgesetzt werden kann. Die geografische Aufstellung sei komplementär, weil Bombardier zum Beispiel Stärken in Nordamerika und China habe, wo Alstom schwächer aufgestellt ist. Auch die Serviceorganisation und die Fertigungsstandorte in Regionen mit günstigem Lohnniveau — darunter Mexiko, China und Osteuropa — seien eine attraktive Ergänzung des Netzwerks der Franzosen.

Zudem verspricht sich das Management eine Menge von der Zusammenlegung der Forschungsprogramme. Doppelausgaben entfallen und wichtige Zukunftsthemen wie Brennstoffzellen- und batterieelektrische Züge und Busse können mit vereinten Kräften angegangen werden.

Was davon zu halten ist

Für 100 % der Bombardier-Aktien will Alstom rund 6 Mrd. Euro bieten, wobei einer der Großaktionäre, ein staatliches Investitionsvehikel von Québec (CDPQ), seinen Erlös plus 700 Mio. Euro gleich wieder in neue Aktien von Alstom investieren würde und somit zu einem Ankeraktionär mit einem Anteil von ca. 18 % aufstiege. Das hört sich nach einem vernünftigen Deal an. CDPQ drückt sein Vertrauen in das kombinierte Vehikel aus und der Liquiditätsabfluss hält sich bei diesem Vorgehen in Grenzen.

Was die behauptete Komplementarität angeht, habe ich meine Zweifel. Beide Partner sind weltweit aktiv und besonders in Europa würden sie zum jetzigen Stand fast die Hälfte des Marktes auf sich vereinen. Natürlich ist Alstom in Frankreich besonders stark und Bombardier in Deutschland, aber es darf als sicher gelten, dass eine komplette Fusion nicht durchgewunken wird.

Zwar könnte über den Verkauf von Betriebsteilen der Kapitaleinsatz weiter reduziert werden, aber wenn kein guter Preis erzielt werden kann, drohen Abschreibungen. Zudem reduzieren sich die potenziellen Synergien, wenn überlappende Bereiche nicht rationalisiert werden können.

Ein weiteres Problem sehe ich in der Produktpalette. Alstom spricht zwar von wertvollen Ergänzungen wie etwa Monorail-Bahnen und fahrerlosen People Movern, aber letztlich spielt bei den U- und Straßenbahnen sowie den Regional- und Hochgeschwindigkeitszügen die Musik und da sind die Angebote vergleichbar. Die Entwicklung von gemeinsamen Plattformen dürfte viele Jahre in Anspruch nehmen.

Kurzfristig kommt also eine Menge Arbeit mit hohem Sonderaufwand auf Alstom zu. Auf lange Sicht rechne ich trotzdem damit, dass sich die Investition auszahlen könnte, weil sich bei Verwaltung, Vertrieb und Forschung eine Menge Kosten sparen lassen und das gemeinsame Auftragsbuch in Kombination mit dem erweiterten Produktionsnetzwerk für eine verbesserte Ressourcen-Allokation sorgen sollte.

Ob sich allerdings schon zwei Jahre nach Abschluss des Deals die erhoffte Gewinnsteigerung einstellt? Bombardier ist schließlich in letzter Zeit von einem Problem zum nächsten gestolpert. Ob diese Fusion völlig ohne Hindernisse vonstatten geht, würde ich daher bezweifeln wollen.

Wie es jetzt weitergeht

Ein Hindernis ist sowieso schon sicher, wir kennen das bereits vom gescheiterten Alstom-Siemens-Deal. Solche komplexen Transaktionen in konzentrierten Branchen werden intensiv von den Wettbewerbsbehörden begutachtet. Außerdem muss auf einer außerordentlichen Hauptversammlung bis Oktober noch die Zustimmung der Aktionäre eingeholt werden.

Bis Anfang 2021 soll dann gegebenenfalls die Kapitalerhöhung organisiert werden und im Verlauf des ersten Halbjahres wird mit der Genehmigung der Fusion gerechnet. Zuvor müssen aber sicherlich noch einige Bedingungen erfüllt werden, um die Bedenken um eine zu hohe Marktkonzentration zu zerstreuen.

Als Käufer von möglicherweise abgegebenen Werken kämen am ehesten die italienische Hitachi Rail, Siemens oder Stadler Rail (WKN: A2ACPS) aus der Schweiz infrage. Da fast alle Rivalen ebenfalls über prall gefüllte Auftragsbücher verfügen und die Politik sich um wegrationalisierte Stellen sorgt, könnten hier lukrative Nebendeals abfallen.

Ob das Alstom-Management das alles schon sauber durchdacht hat? Man kann es nur vermuten, aber eigentlich sollte es nun genau wissen, auf was es sich einlässt. Von daher würde ich mal erwarten, dass sie ihr Ziel am Ende irgendwie erreichen werden. Für Anleger gilt es nun, die Augen offen zu halten, um frühzeitig zu erkennen, welches letztlich die größten Profiteure sein werden.

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Ralf Anders partizipiert über ein von ihm betreutes Indexzertifikat an der Aktienentwicklung von Siemens. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.

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