BÖRSE EXPRESS: Mit September 2022 übernahmen Sie alle Rechte und Patente von Emotional Brain und damit die Medikamentenkandidaten Lybrido und Lybridos. Bei diesen fehlen vor einer eventuellen Marktzulassung noch Phase III-Studien, die viel Geld kosten. Wieviel veranschlagen Sie dafür? Wie wird das Geld aufgetrieben, was sind die nächsten operativen Schritte? Und wie viel wurde für Emotional Brain gezahlt?

MARCEL WIJMA: Ja das ist richtig, die Übernahme wurde offiziell am 1.9.2022 abgeschlossen. Der Prozess dauerte allerdings länger an, um unter anderem den Forschungsstand und die Korrespondenzen mit den Zulassungsstellen sorgfältig zu prüfen sowie eine solide Finanzierung aufzustellen. Der Kaufpreis hat sich zu einem Teil aus einer Barzahlung und zum anderen Teil aus Aktienanteilen der Freya Pharma Solutions zusammengesetzt.

Die fokussierte Aufgabe von Freya besteht darin, das Produkt Lybrido in Europa in die klinische Bestätigungsstudie zu bringen und eine Zwischenanalyse zu erstellen. Das strategische Ziel besteht darin, durch weitere Finanzierungsrunden ausreichende Mittel zur Finanzierung der Bestätigungsstudie in Europa und die Vorbereitung der Phase 3 Studie in Zusammenarbeit mit der FDA in den USA zu realisieren.

Wir haben bereits Ende 2022 die Series A Finanzierungsrunde erfolgreich abschließen können. Zwei weitere Finanzierungsrunden mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 25 Mio. Euro sind geplant, um diese Vorhaben umsetzen zu können. Für die einzelnen Finanzierungsrunden liegen Bewertungen der Investmentbank Raymond James zugrunde. Wir befinden uns aktuell in der Ansprache potenzieller Investoren, um die Entwicklung zu beschleunigen und so schnell wie möglich mit der Patientenrekrutierung zu beginnen. Zu diesem Zweck werden bis zu 8 europäische Länder und bis zu 30 Zentren ausgewählt, u.a. auch in Österreich, um 750 Patienten für eine dreiarmige Studie mit Lybrido zu rekrutieren. Diese Studie trägt den Namen ALETTA, nach Aletta Jacobs. Sie war die erste Ärztin in den Niederlanden und eine der Vorkämpferinnen für die Rechte der Frauen im 19. Jahrhundert.

Das angepasste Studiendesign der ALETTA-Studie ermöglicht nun eine Dosisfindung bei 300 Patienten bis zu Zwischenanalysen, nach denen die Studie, wie bereits erwähnt, bei insgesamt 750 Patienten abgeschlossen wird. Die Zwischenanalyse wird eingeführt, um die Verträglichkeit und Sicherheit zu bestätigen und um die erneute Verabreichung der hochdosierten Kombination zu prüfen. Was die erste RCT (ALETTA-Studie) betrifft, so hat die EMA dies kommentiert. Diesem Kommentar wurde im angepassten Studiendesign Rechnung getragen, so dass Freya die Entwicklung von 2 Lybrido-Dosierungskombinationen fortsetzen kann.

 

BÖRSE EXPRESS: Was ist überhaupt das nächste Ziel? Während der Bestätigungsstudie einen Partner finden? Sich zum Verkauf stellen? Oder soll Freya ein eigenständige Unternehmen bleiben?

MARCEL WIJMA: Unser Ziel ist die Bestätigungsstudie / ALETTA Studie in Europa jetzt zügig zu initiieren und mit aller notwendigen Sorgfalt umzusetzen, um valide Daten zu generieren. Mit diesem Vorhaben werden wir in diesem Jahr starten, sodass wir davon ausgehen, Ende nächsten Jahres erste Zwischenergebnisse präsentieren zu können. Parallel haben wir bereits mit der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA gesprochen und können die Phase III Studien in den USA vorbereitet worden. Was das von Ihnen angesprochene Exitszenario betrifft, haben wir unterschiedliche Optionen vorbereitet. Auf der einen Seite wird zeitnah zum Herbst nächsten Jahres ein Pre-IPO vorbereitet, auf der anderen Seite sind wir auch für Gespräche mit Unternehmen aus der Pharmabranche bereit, um die weiteren Schritte in einer starken und gewachsenen Struktur realisieren zu können.

 

BÖRSE EXPRESS: Sie bezeichnen sich als Femtech-Unternehmen. A weil Sie nur Produkte gegen weibliche Erkrankungen im Portfolio haben und b wahrscheinlich auch um darauf hinzuweisen, dass die Frau in der Pharmaforschung bisher kaum eine Rolle spielte. Jetzt nehme ich an, Ihre Studien erfolgen an der Frau. Was sind in der Praxis dabei die Probleme für ein Pharmaunternehmen? Und spiegelt sich das auch im Vergleich in höheren Studienkosten nieder?

MARCEL WIJMA: Die Freya Pharma Solutions hat sich auf die Entwicklung von Lybrido fokussiert als pharmazeutische Lösung für eine frauenspezifische Erkrankung mit dem Namen Female Sexual Interest / Arousal Disorder (FSIAD). Wie andere Arten von sexuellen Funktionsstörungen kann auch FSIAD sehr belastend sein und nicht nur die sexuelle Funktion, sondern auch das Selbstwertgefühl und das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigen. Und das ist keine Seltenheit. Eine Studie aus dem Jahr 2016 ergab, dass weltweit 41% der Frauen vor der Menopause von sexuellen Funktionsstörungen betroffen sind. Von diesen Frauen berichteten 28% über geringes sexuelles Verlangen.

FSIAD ist eine Störung, bei der die Betroffenen eine stark verminderte sexuelle Erregung und/oder ein vermindertes sexuelles Verlangen verspüren. Damit die Diagnose gestellt werden kann, müssen bestimmte Symptome seit mindestens sechs Monaten bestehen und den Betroffenen erheblichen Kummer bereiten, die im äußersten Fall zu schweren Depressionen führen können.

Zur Umsetzung der Studien sind wesentliche Profile zu beachten. Wir benötigen unterschiedliche Zentren in Europa, in denen die Studien vor Ort begleitet und empirisch untersucht werden. Es ist ein sehr anspruchsvoller Vorgang, der viel Know How, Expertise und Sorgfalt abverlangt. Wir führen die trials auch deshalb mit dem CRO Partner CR20 durch, der diese Kernkompetenz und viel Erfahrung mitbringt. Freya selbst stellte einen neuen CMO (Chief Medical Officer) ein und richtete ein klinisches Team ein, das ein Protokoll für die EMA schreiben soll, um wissenschaftlichen Rat für den Start der Bestätigungsstudie in Europa einzuholen. Außerdem beauftragte Freya Piramal als Hersteller der für die Bestätigungsstudie benötigten Tabletten. Piramal hat auch die Tabletten für die vorherigen Phasen hergestellt.

 

BÖRSE EXPRESS: Laut Ihrem Business-Plan fließen wann die ersten Umsätze aus Produktverkäufen? Und was sehen Sie auf Sicht von 5 Jahren später als Potenzial?

MARCEL WIJMA: Lassen Sie es mich zunächst anhand der allgemeinen Marktentwicklung skizzieren. Bei FemTech geht es unter anderen um Intimität und sexuelle Wellness, also ein Themenfeld mit dem sich Freya Pharma Solutions beschäftigt. Im Jahr 2016 wurden rund 503 Millionen Dollar in FemTech-Unternehmen investiert. Der FemTech-Markt wird von mehr als 1000 Start-ups repräsentiert, von denen eine beträchtliche Anzahl von Frauen geführt wird. Zu den wichtigsten Schwerpunktbereichen gehören reproduktive Gesundheit, Schwangerschaft und Stillzeit sowie Menstruations- und Sexualgesundheit.

Im Jahr 2019 wuchs der FemTech-Markt auf 18,7 Milliarden Dollar. Fortschritte bei den Technologien zur Entwicklung von Dienstleistungen haben sein Potenzial in der Grundlagenforschung und bei klinischen Anwendungen verbessert. Die Größe des FemTech-Marktes belief sich im Jahr 2020 bereits auf 40,2 Mrd. US-Dollar und wird voraussichtlich mit einer durchschnittlichen CAGR von 13,3% von 2020 bis 2025 auf 75,1 Mrd. US-Dollar wachsen.

Angesichts der Tatsache, dass schätzungsweise jede zehnte Frau unter Symptomen der FSIAD Krankheit leidet und wir nach Marktzulassung von Lybrido über eine wirksame Lösung verfügen werden, gehen wir davon aus, eine gewichtige Position im Bereich women’s health einnehmen zu können.

 

BÖRSE EXPRESS: Für den Vertrieb würden Sie wohl einen Partner brauchen…?

MARCEL WIJMA: Es ist noch etwas früh, über Vertriebsstrategien zu sprechen. Aber ja, unsere Kernkompetenzen sind derzeit anders definiert. Und für ein gutes Produkt sollte man sich immer die besten Partner an Bord holen.

 

BÖRSE EXPRESS: Was aber dann? Bleibt Freya ein Einproduktunternehmen bei weiblicher sexueller Dysfunktion? Sollen mehrere Standbeine her, was wieder kosten würde … Wohin soll die Reise gehen?

MARCEL WIJMA: Freya Pharma Solutions B.V. wurde im Juli 2020 ausschließlich mit dem Ziel gegründet, alle Rechte und das geistige Eigentum inklusive aller Patentrechte von Emotional Brain (EB) zu übernehmen und in das Unternehmen zu überführen. Insgesamt gibt es etwa 60-70 erteilte Patente in der ganzen Welt (USA, Europa, Japan, China, Brasilien, Südafrika, Australien, Kanada und Mexiko), die die kombinierte Verwendung der beiden Inhaltsstoffe in FSD schützen. Es gibt auch Patente, die speziell die Tablette selbst, ihre Auflösung im Körper und die Aufnahme der Inhaltsstoffe in den weiblichen Körper schützen. Die Patente für die Kombination laufen bis 2026. Neue Schutzrechte, die den Zeitraum um weitere 20 Jahre verlängern, werden angemeldet. Die Patente für die Tablette laufen bis 2032-37. Die 2022 angemeldeten Patente erweitern/verstärken die bestehenden Patente auf Lybrido, seine beiden Bestandteile und mögliche andere Kombinationen aus Testosteron (Metaboliten) und Sildenafil und anderen Phosphodiesterase-5-Hemmern, einschließlich höherer Dosierungen.

Wie Sie daraus ersehen können, hat das eine Produkt mit all seinen Anforderungen und Studiendesign nebst Patentschutz eine solche Komplexität, dass die strategische Ausrichtung auf Lybrido als die einzig richtige erscheint.

 

BÖRSE EXPRESS: Wem gehört eigentlich Freya? Mit wieviel wurden Sie bei der letzten Finanzierungsrunde vor einem Jahr bewertet? (8,5 Mio. US-Dollar waren wie viele Anteile) Und ist ein Börsegang angedacht?

MARCEL WIJMA: Hauptaktionäre sind Vorstandsmitglieder der Freya Pharma Solutions sowie drei Stiftungen, die kein direktes Mitspracherecht, der Direktor jedoch ein Stimmrecht im Vorstand hat. Ferner sind noch Family Offices sowie Privatinvestoren im Aktionärskreis vertreten. Die post money Bewertung heute liegt bei 35 Euro pro Aktie. Insgesamt wurden durch die Kapitalrunde 1,1 Millionen Aktien ausgegeben. Zum zweiten Teil der Frage: Da wir auf alle Marktopportunitäten vorbereitet sein wollen ist auch die Planung eines Börsenganges, wie schon erwähnt, vorgesehen.

 

BÖRSE EXPRESS: Letzte Frage – vielleicht politisch unkorrekt, trotzdem: Wann/wodurch/wie wurde die frigide Frau zur dysfunktionalen Frau? Oder anders gefragt: woher weiß man, was die Natur als sexuell funktionale Frau ansieht? Ist da nicht auch ein wenig männliche Wunschvorstellung dahinter…

MARCEL WIJMA: Sie müssen bitte folgendes berücksichtigen. Die Gesundheitsforschung beschäftigt sich erst seit relativ kurzer Zeit mit frauenspezifischen Themen wie zum Beispiel FSIAD. Das heißt, durch neu entwickelte diagnostische Verfahren haben Wissenschaftler(innen) und Mediziner(innen) dies ermitteln können. Frigide bezeichnet lediglich ein Symptom, nämlich vermindertes oder fehlendes Interesse am Sex. Da in der Vergangenheit dies nicht differenziert betrachtet wurde, sind die meisten Fälle in der Spätfolge mit Antidepressiva behandelt worden. Also nicht die Ursache, sondern die Folgeerscheinung wurde behandelt.

FSIAD jedoch ist eine Erkrankung, bei der die Betroffenen eine stark verminderte sexuelle Erregung und/oder ein vermindertes sexuelles Verlangen verspüren. Es wird definiert als jemand, der drei oder mehr der folgenden Symptome aufweist:

- vermindertes oder fehlendes Interesse an Sex - wenige oder keine Gedanken an Sex - fehlende Erregung oder Lust bei sexueller Aktivität - verminderte oder fehlende Erregung als Reaktion auf visuelle, schriftliche oder verbale Reize - seltene oder fehlende Anbahnung von sexuellen Aktivitäten innerhalb einer Beziehung - verminderte oder fehlende Empfindungen in den Genitalien

Damit die Diagnose gestellt werden kann, müssen diese Symptome seit mindestens sechs Monaten bestehen und den Betroffenen erheblichen Kummer bereiten.

 

BÖRSE EXPRESS: Allerletzte Frage: wenn ich mich als Anleger*in für ein Investment in Freya interessiere, wie mache ich das und ab wieviel kann man dabei sein?

MARCEL WIJMA: Wir möchten uns derzeit ausschließlich qualifizierten Investoren öffnen. Das heißt ab einem Invest in Höhe von einer Mindestzeichnungssumme 100.000 Euro. Das Procedere wird direkt über uns und unsere Bank abgewickelt.

Mehr zum Unternehmen gibt’s hier

 

 

Aus dem Börse Express PDF vom 12.06.2023 

 

Screen 12062023 

 

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