Kluge Fachkräfte-Strategie setzt nicht bei Anwerben aus Drittstaaten an

Wie schon in den Monaten zuvor ist Österreich vom Ziel der Vollbeschäftigung weit entfernt. Aber statt in aktive Arbeitsmarktpolitik zu investieren, werden Kürzung von Lohnnebenkosten, Ausweitung der Rot-Weiß-Rot-Karte und höheres Pensionsalter diskutiert.

AK Präsidentin Renate Anderl: „Einerseits hören wir fortwährend Klagen über angeblichen Fachkräftemangel oder das niedrige Pensionsalter. Andererseits wird es für Ältere, Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, Migrant:innen und Frauen mit Betreuungspflichten immer schwieriger, einen guten Job zu finden.“

Darüber hinaus gibt es etwa 140.000 unfreiwillig Teilzeitbeschäftigte und bis zu 310.000 Menschen in der „Stillen Reserve“ – das sind Personen, die unter bestimmten Bedingungen gerne arbeiten würden, aber derzeit keine Arbeit suchen (können). Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten deutlich öfter unfreiwillig in Teilzeit. Bei Frauen kann ein Viertel wegen Betreuungspflichten nicht Vollzeit arbeiten.

Um dieses riesige Potenzial von Arbeitssuchenden, unfreiwillig Teilzeitbeschäftigten und der „Stillen Reserve“ in den Arbeitsmarkt zu integrieren, müsste man an vielen Schrauben gleichzeitig drehen: Neben guten Arbeitsbedingungen, fairer Bezahlung und der Möglichkeit Arbeitszeit aufzustocken, geht es z.B. auch um die öffentliche Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen, bezahlbaren Wohnraum oder Verbesserung der sozialen Infrastruktur wie Kinderbetreuung. „Wer das Pensionsalter anheben will, blendet die Diskriminierung Älterer auf dem Arbeitsmarkt völlig aus – hier muss man ansetzen, dabei sind Wirtschaft und Politik gleichermaßen gefragt.“

Die AK Präsidentin betont, dass zuerst strukturelle Probleme auf dem heimischen Arbeitsmarkt angegangen werden müssen, statt immer mehr Personal aus Drittstaaten anzuwerben. „Eine kluge Fachkräftestrategie muss u.a. folgende Maßnahmen enthalten: mehr Geld und Personal im AMS für bessere Beratung und passgenauere Vermittlung, Forcieren von Fachkräfteausbildungen, ein Klima-Investitionspaket und eine neue gesunde Vollzeit, die es den Menschen ermöglicht, bis zur Pension im Job zu bleiben“, so Anderl.