Im vergangenen Jahr kauften nach Berechnungen des amerikanischen Finanzdienstleisters S&P Global Market Intelligence börsennotierte Unternehmen eigene Aktien im Wert von 1,661 Billionen US-Dollar. Gegenüber 2020, als die Summe noch bei 825 Milliarden Dollar lag, ist das fast das Doppelte. Und im Vergleich zu 2012 (563 Mrd.) haben sich die Ausgaben etwa verdreifacht. 1,66 Billionen Dollar, mit dieser Summe ließen sich problemlos alle 40 DAX-Konzerne kaufen. Doch was treibt die Firmen an, eigene Aktien zurückzukaufen? Insbesondere in den USA, wo Share Buybacks sehr beliebt sind, während in Europa Dividendenzahlungen Vorrang haben? Zumal viele Investoren den Aktienrückkäufen eher kritisch gegenüberstehen.

Klar ist: Erwirtschaftet ein Unternehmen hohe Gewinne oder hat anderweitig angesammelte Barmittel in seiner Bilanz, muss das Management entscheiden, wie es das Kapital am sinnvollsten einsetzt. Es kann die Gewinne in das Unternehmen reinvestieren, indem es neue Produkte entwickelt, oder andere Unternehmen erwerben. Oder es schüttet eine Dividende an die Aktionäre aus oder setzt die Barmittel für den Rückkauf eigener Aktien ein. Viele Unternehmen nutzen eine Kombination dieser Methoden.

Die Mechanik von Aktienrückkäufen ist in der Regel recht einfach. Zunächst wird ein zeitlich befristetes Rückkaufprogramm (zum Beispiel über zwölf Monate) über eine bestimmte Höhe (zum Beispiel eine Mrd. Euro) aufgelegt. Nach einem entsprechenden Vorstandsbeschluss ist meist noch die Genehmigung durch die Aktionäre im Rahmen der jährlichen Hauptversammlung erforderlich. Nachdem diese eingeholt wurde, kann das Unternehmen mit dem Rückkauf beginnen. Dies geschieht normalerweise über den offenen Markt, wo die Gesellschaft ihre eigenen Aktien zu den aktuellen Marktpreisen erwirbt. Schließlich werden die zurückgekauften Aktien vom Unternehmen absorbiert, die Anzahl der ausstehenden Aktien sinkt.

Genau an dieser Stelle setzt die Kritik vieler Experten ein. Ihrer Ansicht nach zeugen die groß angelegten Aktienrückkaufprogramme von Ideenlosigkeit im Management. Statt in Forschung und Entwicklung, Mitarbeiter, Infrastrukturinvestitionen oder soziale Verantwortung zu investieren, werden Anteilsscheine zurückgekauft, oft mit dem Ziel, diese dauerhaft zu vernichten. Diese kreative Zerstörung widerspreche dem Grundgedanken von unternehmerischem Fortschritt und könnte langfristig zu einem Mangel an unternehmerischer Vitalität und Wettbewerbsfähigkeit führen.

Künstliche Steigerung des Gewinns.

Der wichtigste Effekt von Aktienrückkäufen ist, dass der Gewinn je Aktie (EPS) steigt, das Gewinnwachstum erscheint also besser als es tatsächlich ist. Eine einfache Rechnung verdeutlicht dies: Unternehmen X hat zehn Millionen ausstehende Aktien und erwirtschaftet einen Gewinn von 20 Millionen Euro. Der EPS liegt somit bei 2,0 Euro. Angenommen, das Unternehmen kauft eine Million Aktien zurück - wodurch sich die Anzahl der Anteilsscheine auf neun Millionen verringert - und erwirtschaftet im nächsten Jahr wieder 20 Millionen Euro. Dann beträgt der Gewinn aufgrund der geringen Aktienanzahl 2,22 Euro pro Aktie. Es sieht also so aus, als sei der Gewinn um elf Prozent gestiegen, obwohl dieser eigentlich stagniert. Dieser Griff in die Trickkiste zeigt oft einen positiven Effekt auf den Kurs: Da der Gewinn höher ausfällt, geht das Kurs-Gewinn-Verhältnis zurück, die Aktie ist bewertungstechnisch günstiger. Dies führt zu steigenden Kursen – und die Aktionäre freuen sich.

Dies gilt oft auch für das Management, dessen variable Vergütung häufig unter anderem an die Gewinnentwicklung gekoppelt ist. Steigende EPS-Kennziffern bedeuten höhere Boni. Das Management verdient also mit. Kritiker sehen darin einen klaren Interessenkonflikt.

Ein weiterer Kritikpunkt: Aktienrückkäufe unterhöhlten die Aktionärsdemokratie, da sich der Streubesitz verringert und das Management eine noch stärkere Kontrolle über Unternehmensentscheidungen erhält. Zudem können Aktienrückkaufprogramme gezielt eingesetzt werden, um Kursentwicklungen zu glätten. Der natürliche Mechanismus der Börse werde dadurch ein Stück weit außer Kraft gesetzt.

Selbst Warren Buffett, Investorenlegende aus den USA und einer der erfolgreichsten Börsianer aller Zeiten, sieht Share Buybacks kritisch. Aus seiner Sicht sind sie nur dann sinnvoll, wenn die Aktien unter ihrem inneren Wert gehandelt werden.

Doch die Kaufprogramme haben auch Vorteile. Neben dem kurstreibenden Effekt, indem der Gewinn je Aktie künstlich nach oben getrieben wird, sind es vor allem steuerliche. Denn für Investoren sind Share Buybacks steuerfrei, während bei Dividenden der Fiskus häufig seine Hand aufhält. In Deutschland sind dies 25 Prozent Kapitalertragssteuer plus Solidaritätszuschlag. Zwar wurde der Solidaritätszuschlag 2021 in Deutschland weitgehend abgeschafft. Allerdings gilt dies nicht für erzielte Kapitalerträge. Hinzu kommt gegebenenfalls noch die Kirchensteuer.

Positives Signal für den Markt.

Aktienrückkäufe können zudem dazu verwendet werden, die Verwässerung von Aktien zu verhindern, die auftreten kann, wenn Mitarbeiteroptionen ausgeübt oder neue Aktienemissionen durchgeführt werden. Durch den Rückkauf von Aktien kann das Unternehmen die Anzahl der ausstehenden Aktien auf einem konstanten Niveau halten.

Und letztlich können sie das Interesse von Investoren erhöhen, indem sie als Signal an den Markt interpretiert werden, dass das Management glaubt, die eigenen Aktien seien unterbewertet. Dies kann das Vertrauen der Anleger stärken und den Aktienkurs antreiben.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Aktienrückkäufe sind eine komplexe Praxis, die sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringt. Während sie oft kurssteigernd wirken, müssen Unternehmen sicherstellen, dass sie nicht auf Kosten langfristiger Investitionen gehen. Letztendlich ist es entscheidend, dass Unternehmen ihre Verantwortung gegenüber Investoren und der Gesellschaft im Auge behalten, wenn die den Einsatz von Aktienrückkäufen erwägen.

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Aus dem Börse Express PDF vom 29.11.2023 

Screen 29112023 

 

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