Wien (OTS) - Während der Bundeskanzler und sein Finanzminister auf Milliarden zur Rettung der Wirtschaft sitzen, bangt jeder dritte Betrieb ums Überleben. Mehr als eine Million Menschen sind vom wirtschaftlichen Ruin bedroht. Um das zu verhindern, fordert der sozialdemokratische Wirtschaftsverband Wien „Rechtsanspruch auf Förderungen, unmittelbare Auszahlung der Mittel und Lockerungen von Basel III“.

„Die Situation der meisten ,Ein-Person-Unternehmen‘ (EPU) und KMU ist dramatisch“, sagt Marcus Arige, Vizepräsident des sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands Wien, EPU-Sprecher und Unternehmer: „Viele der 400.000 Selbständigen sind so verzweifelt, dass sie bereits ihre letzten Reserven aufgelöst haben. Andere schlachten die Sparschweine ihrer Kinder, um Essen für ihre Familie zu kaufen. Wieder andere haben bereits Insolvenz angemeldet.“

Das passiere, weil an der Spitze der Bundesregierung ein abgehobener Bundeskanzler und ein völlig überforderter Finanzminister sitzen, die rund um die Hilfsgelder enorme bürokratische Hürden aufgebaut haben. Anstatt wie in Deutschland oder in der Schweiz unmittelbar zu helfen, vergehen in Österreich Monate, ehe erste Unterstützung fließe. „Das bedroht den Mittelstand, den Standort und letztlich die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs“, sagt Arige.

Als infam bezeichnet er Begründungen von Bundeskanzler Kurz, warum erst so wenige Hilfsgelder ausbezahlt worden seien. In der Sendung „Frühstück bei mir“ auf Ö3 am 31. Mai 2020 meinte Kurz, der Grund sei, dass EPU und KMU ihre Namen nicht richtig schreiben könnten beziehungsweise verdächtigte er sie der Schwarzarbeit: „Einmal mehr schiebt Kurz jede Verantwortung von sich. Er schreckt nicht einmal davor zurück 400.000 Menschen als zu ,blöd‘ zum Schreiben ihres Namens zu bezeichnen. Diese Kolleginnen und Kollegen auch noch der Schwarzarbeit zu bezichtigen, schlägt dem Fass den Boden aus“, kritisiert Arige.

Der SWV-Wien-Vizepräsident fordert die Bundesregierung anlässlich der Protest-Pressekonferenz „Gehört.Gelesen“ zum Handeln im Interesse der Wirtschaftstreibenden auf: „Statt jeden Tag vor den Kameras zu stehen und die fragwürdige Champagnersteuer zu senken, sollten die beiden zu laufen beginnen: Es geht um unsere Existenz und die Zukunft Österreichs. Wenn die Herren nicht in Bewegung kommen, sind sie schuld an der Pleitewelle.“

Marcus Arige fordert, dass „staatlich verordnete Umsatzverluste durch die Republik kompensiert werden. Von uns UnternehmerInnen hat sich das niemand ausgesucht. Die Panikmache der Regierung ab Anfang April hat alles nur schlimmer gemacht. Konkret sollen EPU und KMU einen Rechtsanspruch auf die Kompensation ihrer Umsätze haben. Die staatlich verordnete Schnitzeljagd und die monatelange Hinhaltetaktik sind sofort zu beenden. Und es ist mit der unmittelbaren monatlichen Auszahlung der Gelder – und zwar monatlich ein Jahreszwölftel der fehlenden Umsätze des vergangenen Jahres, zu beginnen. Das bringt statt Almosen echte Liquidität und hilft dabei, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.“

Finanzämter statt Wirtschaftskammer

• Außerdem fordert der SWV-Wien-Vizepräsident, dass die Auszahlung „der Kompensationen nicht länger durch die Wirtschaftskammer erfolgen soll, sondern durch die Finanzämter: Diese haben alle erforderlichen Unterlagen und auch die notwendige Struktur, um für eine rasche Umsetzung zu sorgen.“

• Eine weitere Forderung des SWV Wien: Die Sozialversicherungsbeiträge für die SVS sollen vom Staat übernommen werden.

• Weiters fordert Arige, dass die beiden Jahre 2020/2021 zu einem Wirtschaftsjahr zusammengeführt werden, um Gewinne des einen gegen die Verluste des anderen Jahres aufzurechnen.

• Unternehmen, die während der Krise größere Investitionen vornehmen, sollten durch eine kürzere Abschreibung belohnt werden:
Investitionen bis 10.000 Euro sollen sofort abschreibbar sein. „Das kurbelt die Wirtschaft an, belohnt die Investitionsfreudigen und hilft letztlich dabei Arbeitsplätze zu sichern.“

• Bei den strengen Eigenkapitalregeln für Banken plädiert Arige für eine Lockerung der Bestimmungen von Basel III. „Das sollte den Banken erleichtern Kredite zu vergeben“, sagt Arige. Eine gute Gelegenheit für Bundeskanzler Kurz einmal für positive Schlagzeilen auf EU-Ebene zu sorgen.

Unzufriedenheit der Selbstständigen steigt

Wie wenig die Interessen der Ein-Personen-Unternehmen und Klein-und Mittelbetriebe seitens der türkis-grünen Regierung wahrgenommen werden, zeigt sich auch bei der Beantragung und Bearbeitung des Härtefallfonds 2. Knapp zwei Drittel der Selbstständigen beurteilen den Härtefallfonds 2 mit der Schulnote Nicht Genügend, wie die Universität Wien in ihrer letzten Befragung feststellte.

Die Bewilligung und Bearbeitung der Kurzarbeit war mit einem enormen Bürokratieaufwand verbunden, so mussten dafür mehr als die Hälfte aller Selbstständigen zwischen zehn und 30 Stunden Arbeitszeit aufwenden. Obwohl Unternehmen verzweifelt versuchten, finanzielle Unterstützung anzufordern, wurden bisher erst rund zehn Prozent der Corona-Hilfsfonds/ Härtefallfonds ausbezahlt. Von einer raschen, unbürokratischen Hilfe wie sie von Türkis-Grün beworben wird, sind wir daher weit entfernt.

Gehört.Gelesen

Der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband Wien setzte mit der Aktion „Gehört.Gelesen“ ein Zeichen gegen die Ignoranz der Bundesregierung. Ziel der Aktion war es, Selbstständige, EPU und KMU eine Stimme zu geben.

Schauspieler Gregor Seberg verlas Erfahrungsberichte vieler Selbstständiger über ihre Situation seit dem Ausbruch der Corona-Krise, die mit der Unwirksamkeit der Regierungsmaßnahmen konfrontiert sind – gelesen am 3. Juni 2020 ab 10:30.

Die zuständigen MinisterInnen, darunter der ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel, die ÖVP-Arbeitsministerin Christine Aschbacher, die ÖVP-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck sowie der Bundeskanzler Sebastian Kurz, sollten mit den Folgen ihrer Politik konfrontiert werden.

Österreichweit bestehen rund 337.800 Ein-Personen-Unternehmen und KMU. Davon befinden sich 65.396 in Wien. Diese 99,6 Prozent der Unternehmen beschäftigen 67 Prozent der Erwerbstätigen beziehungsweise 65 Prozent der Lehrlinge in Österreich. Wie die KMU Forschung Austria bei ihren Auswertungen der Bilanzdatenbank feststellte, reichen bei mehr als der Hälfte dieser Betriebe die liquiden Mittel höchstens für einen Monat.