AstraZeneca: Der Zweifel nagt noch immer (Aktie im Fokus)
Das Kommunikationsdesaster um die Wirksamkeit seines Impfstoffs hat dem Ansehen des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca <GB0009895292> geschadet. An der Börse geht es seit Monaten tendenziell abwärts, obwohl die Impfung besser ist als ihr Ruf. Übersehen wird dabei wohl auch, dass der Konzern mit einer Milliardenübernahme alle Weichen für weiteres Wachstum gestellt hat.
AstraZenecas Impfung spaltet. In Großbritannien soll es Menschen geben, die den ursprünglich von der Universität Oxford entwickelten Wirkstoff fast schon als eine Art "Nationalheiligtum" betrachten. In der übrigen Welt ist die Sicht wohl etwas differenzierter. Hierzulande etwa wurde das Vakzin in der öffentlichen Wahrnehmung vom anfänglichen Hoffnungsträger schnell zum Schreckgespenst. Denn kaum ein anderer Impfstoff sorgt schon seit Monaten für so viel Verwirrung.
Man erinnere sich: Zunächst unterbrach AstraZeneca im Herbst seine Studien, da ein Teilnehmer der Tests in Großbritannien gesundheitliche Probleme bekommen hatte. Danach sorgte die Präsentation der Forschungsergebnisse im November für Konfusion. Denn die Probanden hatten in zwei Teilstudien - zunächst aus reinem Zufall - verschiedene Dosierungen erhalten, was zu höchst unterschiedlicher Wirkung führte. Dadurch errechnete sich aber ein deutlich geringerer Schutz etwa im Vergleich zum mRNA-Impfstoff von Biontech <US09075V1026> und Pfizer <US7170811035>.
Experten bemängelten zudem die vergleichsweise geringe Zahl älterer Studienteilnehmer. Die wichtigste Nachricht ging dabei glatt unter: Dass das Vakzin zu hundert Prozent vor einem schweren Krankheitsverlauf und einer Einlieferung ins Krankenhaus schützt.
AstraZeneca hat einiges unternommen, um den Fauxpas wieder auszubügeln. Kommunikativ hat der Konzern in der Folgeberichterstattung umgesteuert. Doch der Erfolg kommt mit Verzögerung - und liegt womöglich auch im größeren Vertrauen Großbritanniens in den heimischen Anbieter begründet. Das Mittel wurde dort früher als in der EU zugelassen und wird dort auch an ältere Senioren verabreicht. Auch auf Basis der britischen Ergebnisse, die mit einem vergleichsweise langen Impfintervall von 12 Wochen auskommen, wird andernorts nun scheibchenweise nachjustiert. In Deutschland etwa sprach sich die Zuständige Impfkommission (Stiko) erst vor wenigen Tagen für eine Anwendung auch bei Menschen ab 65 Jahren aus.
Obwohl weitere Studien und die Impferfolge in Großbritannien auf eine vielversprechende Wirksamkeit deuten, halten sich hartnäckig Zweifel. In Deutschland etwa verzögert sich die Impfkampagne auch deshalb, weil Berechtigte mit dem AstraZeneca-Stoff just nicht gepikst werden wollen. Gleichzeitig haben Meldungen aus Schweden über durchaus übliche, aber gehäuft aufgetretene Nebenwirkungen wie Fieber das Negativ-Image weiter verfestigt. Viele Menschen dürften auch von der jüngsten Nachricht aus Österreich verunsichert worden sein, wo nach einem Todesfall und eher unüblichen Nebenwirkungen eine Charge aus dem Verkehr gezogen wurde.
On top kommt der Lieferstreit mit der EU, der sich an der vermeintlichen "Britain First"-Strategie des Konzerns entzündete. Dass Italien nun selbst AstraZeneca-Exporte nach Australien blockiert, lässt diese Auseinandersetzung indes mittlerweile in einem etwas anderen Licht erscheinen.
Unter der Last der Impfstoffnachrichten geraten derzeit andere wichtige Neuigkeiten zum Unternehmen ins Abseits. Etwa, dass der Konzern mit der im vergangenen Dezember angekündigten Übernahme des US-Pharmakonzerns Alexion für 39 Milliarden Dollar in das Feld seltener Krankheiten vordringt.
Alexion hat nach Einschätzung von Beobachtern einige interessante Produktkandidaten im Portfolio. AstraZeneca selbst hat bereits seit einiger Zeit das als lukrativer geltende Krebsgeschäft zu seinem Schwerpunkt erklärt. Noch recht junge Mittel wie Imfinzi, Tagrisso und Lynparza steuerten im Geschäftsjahr 2020 bereits rund die Hälfte der Konzernerlöse bei. Insgesamt konnte AstraZeneca Umsatz und Gewinn so deutlich steigern und will in diesem Jahr auch dank Alexion weiter zulegen.
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