Ebenso die kräftig gefallenen Energiepreise, die allerdings auch dem milden Winter geschuldet waren. Vorher hatten wohl „interessierte“ Kreise (zum Beispiel Hedgefonds, Produzenten) die Preise nach oben gepuscht. Ein Hinweis sind die exorbitanten Gewinne der Ölproduzenten. Aber auch der Fachkräftemangel hat dazu beigetragen. Die Industrie hat, trotz schlechteren Wirtschaftsaussichten, niemanden entlassen, aus Angst für einen nächsten Aufschwung kein Personal mehr zu bekommen.

Dies hat die Einkommen stabil gehalten. Die Löhne dürften sogar in diesem Jahr zum Teil kräftig steigen, aber es wird netto kein Totalausgleich für die hohe Inflation werden. Die Lohn-Preis-Spirale bleibt uns demnach erhalten und wird einen kräftigen Rückgang der Inflation erschweren oder sogar verhindern. Der Kaufkraftverlust wird sich erst im Laufe des Jahres bemerkbar machen. Dann wird sich zeigen, ob das „Schönreden“ der Politik (Habeck: Wir haben die Krise beherrschbar gemacht) nur Nebelkerzen waren. Die Inflationszahlen waren „überraschend“ hoch. Auftragseingänge mit dickem Minus.

Auch die Börsenteilnehmer haben ihre Meinung im 4. Quartal 2022 geändert. Sie gehen jetzt davon aus, dass es keine schwere Rezession gibt, zumal die Umkehr der chinesischen Covid-Strategie die Weltwirtschaft stabilisieren könnte. Unterstützt durch die für dieses positivere Szenario viel zu hohe Liquidität stiegen die Aktienkurse wieder an. Die Profis mussten investieren, um den Börsenzug nicht zu verpassen, Bankanalysten erhöhten ihre Kursziele. Mit den steigenden Kursen wurden auch die privaten Anleger wieder mutiger. Die Hausse nährt halt die Hausse, zumal der zwischenzeitliche Höhepunkt der Inflationsraten überschritten scheint. Auch glaubt die Börse, dass die Zinsspitze der Notenbanken (Fed ca. 5,25 Prozent, EZB ca. 3,5 Prozent) im 1. Quartal erreicht ist, die Inflationszahlen rückläufig bleiben und so die Geldhüter die Zinsen bald wieder senken werden.

In den USA schien im Januar die hohe Zahl der offenen Stellen auf eine kräftige Wirtschaft hinzudeuten. Diese Zahlen haben aber einen statistischen Hintergrund. Zum Weihnachtsgeschäft werden viele Kräfte eingestellt, die im neuen Jahr dann wieder entlassen wurden. Diese Zahlen werden deshalb „saisonbereinigt“. Die Zahlen bedeuten also dieses Mal nicht, dass weitere Arbeitsplätze geschaffen, sondern dass kaum jemand entlassen wurde. Die Unternehmen haben wohl aus Angst vor fehlendem Personal derzeit auch nicht benötigte Mitarbeiter weiterbeschäftigt.

Um die Menschen bei zuversichtlicher Laune zu halten (was auch für die Wirtschaft förderlich ist), werden die Entwicklungen ausschließlich positiv dargestellt. Bei allen Politikern ist das Glas immer „halb voll“. Der Anleger sollte aber auch darauf vorbereitet sein, dass das Glas schon „halb leer“ ist. So würde eine Erholung in China auch die Rohstoffpreise wieder anziehen lassen. Der Ölpreis könnte dreistellig werden, zumal, wenn dann auch noch die Russen ihre Drohungen über Kürzungen der Fördermengen wahr machen. Zusammen mit den gestiegenen Löhnen würde die Inflation höher bleiben als derzeit angenommen. Als Folge könnten die Notenbanken die Leitzinsen länger hochhalten, als die Börsen derzeit eingepreist haben. Ein „Soft-Landing“ würde immer unwahrscheinlicher.

Etliche Zombie-Firmen dürften dies nicht überleben. Abschreibungen bei den Kreditinstituten würden massiv weiter ansteigen. Die Bundesbank warnt bereits vor denkbaren gravierenden Schieflagen. Eine Folge wären auch einschneidende Einschränkungen bei der Kreditvergabe. Gleichzeitig wäre die Zinspolitik für die schon schwächelnden Immobilienmärkte eine weitere Belastung. Die Neuvergabe von Baukrediten ist im 4. Quartal kräftig eingebrochen (USA: Hypothekenanträge minus 13,3 Prozent, nach minus 7,7 Prozent). Massiv gestiegen Baupreise und höhere Zinsen schlagen sich schon nieder. Ab 2025 könnten fällige Prolongationen von Darlehen zu Tiefstzinsen zu den dann höheren Bauzinsen scheitern und zu weiteren Abschreibungen führen. Fazit: Vorsicht bei Bankaktien, zumal nach der Performance der letzten Monate.

Außerdem werden die staatlichen Hilfen auslaufen und gemäß vorliegenden Schätzungen auch die in der Pandemiezeit gesparten Gelder (vor allem in USA) in der 2. Jahreshälfte aufgebraucht sein. Ein Konsumeinbruch wäre die Folge. Spätestens wenn dann die Unternehmen doch zu Entlassungen schreiten, werden die Aktienkurse der veränderten Lage sicher Tribut zollen müssen. Kräftige Kursrücksetzer wären eine logische Konsequenz. Dann wäre die aktuelle Rallye eine Bullenfalle. Auch Rekord hohe Käufe (1,5 Mrd. täglich) von US-Privatanlegern sind ein Warnsignal. Kapitalanleger sollten diese Entwicklung zumindest einkalkulieren und/oder die Börsenweisheit berücksichtigen: An Gewinnmitnahmen ist noch niemand arm geworden. Oder wie Kostolany es ausdrückte: Ich habe mein Vermögen dadurch erhalten, weil ich immer zu früh verkauft habe.

Auch die Edelmetalle laufen Gefahr noch einen Rücksetzer zu erfahren, bis dann Zinssenkungen der Währungshüter bzw. die Fantasie darauf die Kurse zu neuen Höchstkursen führen. Aufgrund der weltweit historisch hohen Verschuldungen sind steigende Zinsen nicht verkraftbar, da sie schnell und empfindlich wirken. So werden höhere Inflationsraten als das kleinere Übel gegenüber tiefen Rezessionen erscheinen. Besonders in den USA wird eine Stagflation die Staatsfinanzierung erschweren und ein neues QE hervorrufen. Der US-Dollar dürfte zur Schwäche neigen und Gold als „safe haven“ in den Vordergrund bringen. Da die Gold-Trusts und -ETFs über zehn Prozent der Bestände abgegeben haben (Käufer waren wahrscheinlich östliche Notenbanken), trifft dann ein riesiges Geldvolumen unterinvestierter Anleger auf den relativ kleinen Goldmarkt. Ein bis zu zwanzigprozentiger Edelmetallanteil im Depot hilft dann mit, das Vermögen zu erhalten.

Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Meinungen und Anlagestrategien finden Sie auf www.v-check.de.

 

Aus dem Börse Express PDF vom 13.03.2023 

Screen 13032023

 

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