Drei Szenarien stehen im Raum - es sind die gleichen, die auch bei der Finanzkrise zur Debatte standen. Wie bekannt, war die Finanzkrise zwar dramatisch, die Kurse erreichten aber schon zwei Jahre später fast wieder ihr Ausgangsniveau, und es folgte ein jahrelanger Kursaufschwung. Wird es nach Corona ähnlich sein?

V-Szenario.

m günstigen Fall hinterlässt das Virus ökonomisch betrachtet überschaubare Schäden: viele Leute verzichten auf Urlaubsreisen oder Städtebesuche, größere Anschaffungen werden verschoben. Etliche Angestellte arbeiten über den Computer von zu Hause aus. Vereinzelt gibt es Engpässe in der Produktion, weil die internationale Logistikkette stockt. Die meisten Menschen aber werden sich schnell an die neue Realität gewöhnen. Letztlich verbreitet das Coronavirus keine apokalyptische Seuche, sondern eine Art Grippe.

In diesem Szenario wird die Krise nur eine Delle in der Weltwirtschaft hinterlassen. Ein schlechtes Quartal, vielleicht zwei. Die meisten Unternehmen würden das verkraften. Notenbanken und Staaten stehen bereit, um in Notfällen auszuhelfen. Ein Teil der Umsatzausfälle kann über Nachholeffekte in späteren Quartalen der Wirtschaft einen Schub geben. Der Schaden würde damit am Jahresende kleiner sein als befürchtet. Selbst viele Unternehmen, die von der Krise hart getroffen werden, könnten auf längere Sicht profitieren: wenn etwa finanzschwache Airlines auf der Strecke bleiben, stärkt das die Marktposition von Branchenriesen wie Lufthansa.

Im Endeffekt könnte rasch wieder das Vor-Krisen-Niveau erreicht werden. Börsianer schauen ohnehin nach vorn: im Jahr 2009, als die Finanzkrise die Welt erschütterte, drehten die Kurse nach oben, als die Realwirtschaft noch tief im Schlamassel steckte. Auch jetzt haben die Aktienmärkte ein negatives Szenario vorweggenommen: der Corona-Crash hat die Kurse ungewöhnlich schnell nach unten getrieben. Sollte die Krise nicht doch noch außer Kontrolle geraten, könnte das Schlimmste also schon in den Kursen stecken. Hartgesottenen Anlegern bietet der Corona-Crash somit die Chance, Aktien starker Konzerne günstig einzukaufen. Das langfristige Argument für Aktien hat durch die Maßnahmen zur Krisenbekämpfung sogar an Gewicht gewonnen: die erneute Leitzinssenkung in den USA verstärkt den Renditenotstand bei klassischen defensiven Investments. Vielleicht spiegelt sich dies auch bereits in der aktuell kräftigen Erholungsrallye der US-Indizes wider.

L-Szenario

In diesem Fall hieße es Luft anhalten: im düstersten Szenario sorgt eine unkontrollierte globale Ausbreitung des Corona-Virus für ein Absturz der Wirtschaft. Es kommt zu einer schweren Rezession, die länger als zwei oder drei Quartale anhält. Insbesondere in Europa wäre dies mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung verbunden, der dem der Finanzkrise von 2008/09 ähnelt.

In dem Szenario geben die Behörden angesichts von Erfolglosigkeit den Kampf gegen die Ausbreitung des Virus mithilfe von Quarantäne-Maßnahmen auf und beschränken sich auf die Versorgung von Schwerstkranken. Die Wirtschaft würde aufgrund hoher Arbeitsausfälle, vielfach unterbrochener Produktionsketten und einer darniederliegenden Nachfrage schwer getroffen und in eine lang anhaltende Stagnation fallen.

Zinssenkungen und weitere geldpolitische Maßnahmen der Notenbank greifen in diesem Umfeld nicht. Aus der Wirtschaftskrise könnte eine neue Finanzkrise entstehen. Im schlimmsten Fall gehen hoch verschuldete Unternehmen reihenweise in die Pleite und Kredite fallen aus. Das wiederum würde die Banken treffen, etliche große Institute müssten erneut vom Steuerzahler gerettet werden.

U-Szenario

Die dritte Möglichkeit, wie sich die Corona Krise in der globalen Wirtschaft niederschlagen könnte, ist ein U-förmiger Konjunkturverlauf. In diesem Szenario realisieren die Kapitalmärkte allmählich, dass der Abschwung doch länger dauern wird. Sprich: eine wirtschaftliche Abschwächung oder gar Kontraktion über mehrere Quartale wäre in diesem Fall realistisch.

Der Fall könnte eintreten, wenn die Verbreitung des Erregers in den Industriestaaten und in den großen Schwellenländern nicht gestoppt werden kann - was angesichts des Verlaufs der SARS-Epidemie durchaus möglich scheint. Die notwendigen Maßnahmen der Behörden würden das öffentliche Leben stark behindern und die Wirtschaft bremsen. Bereits jetzt ist die Tourismusbranche stark betroffen. In vielen Ländern sind Großereignisse und Messen abgesagt oder verschoben worden. Zusätzlich könnten auch öffentliche Verkehrsmittel stillgelegt werden. In immer mehr Büros und Betrieben könnte die Arbeit ruhen.

Ebenfalls möglich: in China spannt sich die Lage erneut an. Die Menschen kehren zu einer gewissen Normalität zurück, die strengen Regeln und Kontrollen werden langsam aufgeweicht. Das Virus aber ist noch nicht besiegt, es kommt zu einer zweiten Ansteckungswelle und Gegenmaßnahmen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen ziehen sich bis weit ins zweite Quartal hinein. Das alles hinterlässt zunehmend Bremsspuren in der Weltkonjunktur. China trägt mittlerweile fast 20 Prozent zum globalen Wachstum bei, ist größter Exporteur der Welt und zweitgrößter Importeur. Diese Abhängigkeit hat nun spürbare Folgen für viele andere Länder. Mehr und mehr Lieferketten würden unterbrochen. Und die große Unsicherheit würde dafür sorgen, dass Unternehmen wie Konsumenten alle nicht dringenden Ausgaben aufschieben. Damit würden viele Länder in eine Rezession rutschen. Die Weltwirtschaft, die bereits durch Handelsstreitigkeiten und politische Spannungen geschwächt ist, würde durch das Virus einen weiteren Schlag erhalten.

Unsere Einschätzung

Der aktuellen Kursentwicklung an den Börsen zufolge setzen die Amerikaner unverdrossen auf eine V-Umkehr und visieren bereits wieder die alten Höchststände an. In Europa sind die Börsianer zurückhaltender. Hier wird eher das U-Szenario gespielt. Das L-Szenario wünscht sich niemand.

Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Meinungen und Anlagestrategien finden Sie auf www.v-check.de.