Ein gutes Beispiel dafür sei die Kaffeeindustrie in Brasilien. Das Land ist mit einem jährlichen Volumen von rund vier Milliarden Tonnen der größte Produzent der wertvollen Bohnen. Kürzlich habe die brasilianische Kaffeegenossenschaft Minasul vermeldet, eine digitale Währung einzuführen, um Kaffeebohnen zu handeln und für den Anbau notwendige Güter zu kaufen. Bauern könnten 30 Prozent ihrer aktuellen Jahresernte, 20 Prozent der kommenden und 10 Prozent der übernächsten gegen Token eintauschen. Das schaffe finanzielle Flexibilität durch die Möglichkeit kurzfristiger Liquidität und könne helfen, kurzzeitige finanzielle Engpässe zu überbrücken. Außerdem habe der brasilianische Bundesstaat Bahia eine Plattform auf Basis der Blockchain-Technologie angekündigt, die Teil einer umfassenden Digitalisierungsstrategie darstelle. Ziel der Plattform sei die Vergabe öffentlicher Ausschreibungen im Bereich der Landwirtschaft.
Die Blockchain bietet etwas Einzigartiges: absolutes Vertrauen
Die Potenziale zeigen sich in zwei Bereichen. Eines der zentralen Probleme der Agrarwirtschaft und insbesondere jener, die zu großen Teilen in weniger entwickelten Ländern stattfindet, sei Geßner zufolge ein Mangel an Transparenz und effizienten Möglichkeiten, die sehr kleingliedrigen Lieferketten nachzuverfolgen. Die Folge dessen seien Effizienzverluste. So würden beispielsweise Frachtpapiere noch immer händisch auf Korrektheit überprüft. Genau darin läge jedoch die Stärke der Blockchain-Technologie. „Möchte man das Einzigartige der Blockchain-Technologie mit einem Wort benennen, wäre es Vertrauen“, sagt Geßner. „Einmal eingespeiste Daten sind nahezu nicht mehr manipulierbar. Das schafft revolutionäre Potenziale, da es so etwas in der digitalen Welt bisher nicht gegeben hat.“ Die Abwicklung von Handelsgeschäften könnte durch die Blockchain deutlich effizienter gestaltet werden und so zu deutlichen Kosteneinsparungen führen. Die reinen administrativen Aufgaben erhöhen laut einer Studie des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik heute nämlich die Kosten für den Transport einer Ware um rund 20 Prozent – nicht zuletzt, weil der internationale Handel noch immer überwiegend papierbasiert abläuft.
Fehlende Vertrauenswürdigkeit ist gleichermaßen eines der zentralen Probleme in Entwicklungsländern. Der Corruption Perceptions Index von Transparency International zeige deutlich, dass insbesondere Entwicklungsländer unter einer starken wahrgenommenen Korruption leiden. Mit einem konsequenten Einsatz der Blockchain-Technologie könnten Geldflüsse nachverfolgt werden und beispielsweise die faire Entlohnung der schwächsten Glieder der Lieferketten, der Kleinbauern, nachvollzogen werden.
Finanzielle Inklusion
Ein Grundgedanke der Blockchain ist die finanzielle Inklusion – und um die stehe es in den Ländern der Dritten Welt häufig schlecht. „Rund 80 Prozent der Lebensmittel aus Entwicklungsländern werden von Kleinstbauern erzeugt, die selten Zugang zu Versicherungen, Banking oder anderen grundlegenden Finanzdienstleistungen haben“, sagt Geßner. „Richtig angewendet, könnte die Blockchain zur finanziellen Inklusion dieser Menschen beitragen.“
 
Zwar dürften auch die Schwachstellen der Technologie nicht vernachlässigt werden. So seien Informationen zwar nicht manipulierbar, wenn sie einmal eingetragen sind, der initiale Prozess der Einspeisung bürge jedoch Risiken und müsse durch externe Instanzen überwacht werden oder voll automatisiert erfolgen. Enorme Potenziale biete die Technologie aber zweifelsohne und Unternehmen, die diese bereits nutzen, gäbe es vermehrt. „Bereits vor rund einem Jahr kündigte Coca-Cola an, die Blockchain-Technologie nutzen zu wollen, um die eigenen Lieferketten effizienter zu gestalten und Fälle von Zwangsarbeit in der Zuckerrohrproduktion aufzudecken.“