Der seit Anfang 2020 amtierende Brenntag-Chef Christian Kohlpaintner will den Chemikalienhändler mit einem Umbau profitabler machen. Dazu beitragen sollen auch ein Stellenabbau und die Schließung von Standorten. Im vergangenen Jahr hinterließ die deutlich abgeschwächte Nachfrage nicht zuletzt aufgrund der Handelskonflikte Spuren in der Bilanz. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie bekam das Unternehmen hingegen bisher nur begrenzt zu spüren. Was bei dem Chemikalienhändler los ist, wie Analysten ihn bewerten und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI BRENNTAG:

Brenntag ist ein international tätiger Händler von Industrie- und Spezialchemikalien sowie Inhaltsstoffen, der seine mehr als 10 000 Produkte bei den Chemiekonzernen in größeren Mengen einkauft, diese lagert und sie dann in kleineren Mengen verkauft. In den vergangenen Jahren ist das Unternehmen über kleinere Übernahmen gewachsen. Konjunkturabschwünge treffen Brenntag in der Regel zwar weniger stark als Chemiekonzerne, weil Kunden dann geringere Mengen an Chemikalien benötigen und diese vermehrt beim Händler statt beim Produzenten kaufen.

Doch die deutlich abgeschwächte Nachfrage nicht zuletzt aufgrund der Handelskonflikte hinterließ im vergangenen Jahr auch bei Brenntag Spuren. 2019 setzte das Unternehmen rund 12,8 Milliarden Euro um und machte nach Steuern einen Gewinn von gut 469 Millionen Euro. Größter Konkurrent ist die US-Firma Univar.

"Das Jahr 2020 wird für Brenntag ein Jahr der Veränderungen sein", kündigte Kohlpaintner Anfang März an. Brenntag biete großes Potenzial für organisches und profitables Wachstum. In den vergangenen Jahren sei das Unternehmen aber nicht aus eigener Kraft gewachsen. Deshalb will Kohlpaintner Prozesse, Abläufe und Strukturen optimieren.

Unter anderem sollen innerhalb der nächsten zwei Jahre weltweit etwa 1300 von rund 17 500 Arbeitsplätzen wegfallen. Zudem plant Brenntag, etwa 100 Standorte zu schließen. Mit dem Sparprogramm will das Unternehmen das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) ab dem Jahr 2023 um 220 Millionen Euro verbessern. Im Gegenzug fallen für das Programm Kosten von 370 Millionen Euro an.

Anfang 2021 führt der Konzern zwei Geschäftsbereiche ein: Essentials und Specialties. Im ersten Bereich sollen Prozesschemikalien für ein breites Spektrum an Branchen und Anwendungen vermarktet werden. Der zweite Bereich soll sich auf den Vertrieb von Inhaltsstoffen für ausgewählte Branchen konzentrieren.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie bekam Brenntag bislang nur begrenzt zu spüren. "Die Covid-19-Pandemie war - wie bei vielen anderen Unternehmen - auch bei uns das Jahr über präsent und hat das gesamtwirtschaftliche Umfeld erheblich beeinflusst", sagte Kohlpaintner Anfang November. Die Brenntag-Geschäfte seien aber im Berichtszeitraum nur begrenzt von der Covid-19-Krise betroffen gewesen.

Für das laufende Jahr peilt Brenntag ein um Sondereffekte bereinigtes operatives Ebitda von 1,0 bis 1,04 Milliarden Euro an. 2019 standen hier rund eine Milliarde Euro. Anfang April hatte Brenntag wegen der Corona-Krise die Prognose ausgesetzt.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Die meisten Analysten sind positiv gestimmt. 7 der 13 im dpa-AFX-Analyser seit September erfassten Analysten raten dazu, die Papiere zu kaufen. Sechsmal wird eine Empfehlung zum Halten ausgesprochen. Kein Analyst empfiehlt, die Anteilsscheine zu verkaufen. Mit rund 62,70 Euro liegt das durchschnittliche Ziel etwas über dem aktuellen Kurs.

Laut Analyst Rory McKenzie von der Schweizer Großbank UBS hat der Chemikalienhändler im dritten Quartal weitgehend wie erwartet abgeschnitten. Nun richte sich der Fokus auf die Pläne zur Neuausrichtung des Unternehmens.

Brenntag hat nach Ansicht von Analyst Daniel Hobden von der Schweizer Bank Credit Suisse auf dem Kapitalmarkttag einen Weg aufgezeigt, wie das Unternehmen in den kommenden Jahren die Ergebnisse aus eigener Kraft steigern kann. Mit der Optimierung des Standortnetzes reduziere Brenntag die Komplexität und verbessere die Effizienz. Zudem werden die beiden separaten Geschäftsfelder "Essentials" und "Specialities" zukünftig Wachstum generieren.

Für Analyst Alexander Neuberger vom Bankhaus Metzler schaltete der Chemikalienhändler in den Expansionsmodus um. Er lobte den Plan, das Wachstum der Bruttoerträge zu beschleunigen und die Effizienz um rund ein Drittel bis Ende 2022 zu steigern. Verglichen mit den vergangenen Jahren würde das bereinigte Ebitda im Schnitt um 5,8 Prozent zulegen.

Auch wenn Brenntag nur die Hälfte seines angestrebten Wachstums und nur die Hälfte der Projekte, die im Zusammenhang mit der Verbesserung des operativen Ergebnisses stehen, realisiere, könnte dies laut Analyst Matija Gergolet von der US-Investmentbank Goldman Sachs zu einer deutlichen Verbesserung der Konsensschätzungen führen. Die Einsparmaßnahmen seien nämlich noch nicht in den Schätzungen enthalten. Analyst Markus Mayer von der Baader Bank rechnet damit, dass die Konsensschätzungen für 2020 und 2021 um jeweils mehr als zehn Prozent steigen dürften, für 2022 gar um 20 Prozent. Der geplante Ebitda-Beitrag des "Projekts Brenntag" liege nämlich weit über den Erwartungen.

Die Experten von der Commerzbank bezeichneten die von Brenntag ausgegebenen Mittelfristziele hingegen als zu ambitioniert. Der geplante Stellenabbau erkläre nur eine Einsparung beim operativen Ergebnisses (bereinigtes Ebitda) von 80 bis 140 Millionen Euro statt der vom Unternehmen ausgegebenen 220 Millionen Euro. Zudem habe das Unternehmen in den vergangenen drei Jahren im Schnitt ein organisches Wachstum beim operativen Ergebnis von nur 2,5 Prozent ausgewiesen. Hier ziele Brenntag nun auf einen Zuwachs von vier bis sechs Prozent.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Seit der Vorstellung des Konzernumbaus auf dem Kapitalmarkt Anfang November erklomm die Aktie des Chemikalienhändlers ein Rekordhoch in Serie. Zuletzt kostete das Papier rund 62 Euro. Seit dem Corona-Crash im März, als die Aktien bis auf 28,68 Euro abgerutscht waren, haben sie sich damit mehr als verdoppelt.

Seit Jahresbeginn erhöhte sich der Wert der Anteilsscheine von Brenntag um knapp 28 Prozent. Auch Anleger, die die Brenntag-Aktie schon länger im Depot haben, können sich über eine Wertsteigerung freuen. In den vergangenen drei Jahren steht ein Plus von fast ein Fünftel und in den vergangenen fünf Jahren ein Plus von rund ein Viertel zu Buche.

Viel Freude hat das Papier des Chemikalienhändlers Anlegern der ersten Stunde bereitet: Seit dem Börsengang 2010 hat sich die Aktie um das fast 3,6-fache verteuert. Derzeit kommt Brenntag auf einen Börsenwert von rund 9,6 Milliarden Euro./mne/ngu/jha/

 ISIN  DE000A1DAHH0

AXC0185 2020-11-17/12:41

Copyright dpa-AFX Wirtschaftsnachrichten GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung, Wiederveröffentlichung oder dauerhafte Speicherung ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung von dpa-AFX ist nicht gestattet.