Grundlage für die weitreichenden Betriebsschließungen ist das neu beschlossene COVID-19-Maßnahmengesetz, samt den auf diesem Gesetz basierenden Verordnungen des Gesundheitsministers, die ein bundesweites Betretungsverbot von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen mit wenigen Ausnahmen vorsehen.

Durch die umfassende Schließung von Kundenbereichen kam es insbesondere im Einzelhandel, der Gastronomie und der Hotellerie zu faktischen Betriebsschließungen. Überdies schließt das COVID-19-Maßnahmengesetz bei solchen Verordnungen des Gesundheitsministers ausdrücklich die Anwendbarkeit des Epidemiegesetzes aus. Das Epidemiegesetz sieht einen umfassenden Entschädigungsanspruch bei behördlich angeordneten Betriebsschließungen vor. Dadurch drohen betroffene Unternehmen auf beträchtlichen Umsatzeinbußen und damit Verdienstentgängen sitzen zu bleiben. Die staatlich eingerichteten bzw. angekündigten Förderungs- und Unterstützungsprogramme für betroffene Unternehmen werden wohl nur ansatzweise den Umfang des Entschädigungsanspruchs auf Basis des Epidemiegesetzes erreichen.

Verfassungswidrige Vorgehensweise des Gesetzgebers

Grundsätzlich hat der Gesetzgeber mit dem Epidemiegesetz eine Rechtsgrundlage geschaffen, die einen umfassenden Entschädigungsanspruch des von einer behördlichen Betriebsschließung betroffenen Unternehmens vorsieht. Der erfolgte Ausschluss dieses Entschädigungsanspruchs durch das COVID-19-Maßnahmengesetz scheint unter anderem im Hinblick auf den verfassungsrechtlich verankerten Gleichheitssatz sowie den Vertrauensschutz äußerst bedenklich. Hinzu kommt, dass in einzelnen Bundesländern im März 2020 behördliche Betriebsschließungen sehr wohl nach dem Epidemiegesetz erfolgten, weshalb bereits tausende betroffene Betriebe Entschädigungen nach dem Epidemiegesetz beantragt haben. Sachliche Gründe, warum etwa ein Gasthaus oder Restaurant in einem Bundesland einen umfassenden Entschädigungsanspruch haben soll und in einem anderen Bundesland nicht, lassen sich nicht erschließen.

Entschädigungsanspruch mittels Antrag bei Verwaltungsbehörde

Konsequenz einer Verfassungswidrigkeit kann sein, dass der Entschädigungsanspruch, der im Epidemiegesetz festgelegt ist, sämtlichen Unternehmen zusteht, die von behördlichen Betriebsbeschränkungen betroffen sind, die einer faktischen Betriebsschließung gleichen.

Dabei ist unbedingt zu beachten, dass das Epidemiegesetz eine Frist von 6 Wochen ab Wegfall der Betriebsschließung für die Antragstellung bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde vorsieht. Durch Antragstellung kann überdies sichergestellt werden, dass das Unternehmen von einer etwaigen „Ergreiferprämie“ profitiert. Nach diesem Rechtsinstitut partizipieren nur diejenigen von einer nach Normaufhebung durch den VfGH bereinigten Rechtslage, die selbst aktiv rechtliche Schritte gesetzt haben.

Geltendmachung der Entschädigung mittels „Sammelklage“ oder mit Hilfe von Prozessfinanzierern

In den letzten Wochen wurde mehrmals medial berichtet, dass zur Klärung der gegenständlichen Frage einer potenziellen Entschädigung nach dem Epidemiegesetz eine „Sammelklage“ für betroffene Unternehmen eingebracht werden soll. Dazu ist festzuhalten, dass eine „Sammelklage“ als Teilbereich des kollektiven Rechtsschutzes im österreichischen Verwaltungsverfahrensrecht, welches für die Geltendmachung der Entschädigung nach dem Epidemiegesetz zur Anwendung kommt, nicht existiert.

Ferner ist es auffällig, dass im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Entschädigungen aufgrund von Betriebsschließungen nach dem Epidemiegesetz, wie sie im März 2020 noch in den westlichen Bundesländern stattgefunden haben, verstärkt sogenannte „Prozessfinanzierer“ aufgetreten sind. Prozessfinanzierer übernehmen im Allgemeinen gegen ein Erfolgshonorar die Kosten für die Führung eines Verfahrens und zwar unabhängig von dessen Ausgang. Im Zivilverfahren können im Fall eines Prozessverlustes tatsächlich Kosten in beträchtlicher Höhe anfallen, da neben den Gerichtsgebühren und den eigenen Vertretungskosten grundsätzlich auch die Vertretungskosten des obsiegenden Gegners beinhalten. Ein vergleichbares erhebliches Kostenrisiko besteht im einfachen Verwaltungsverfahren zur Geltendmachung der Entschädigung nach dem Epidemiegesetz nicht.

Ansprüche aus Amtshaftung

Ein weiteres Thema, das zurzeit diskutiert wird, ist die mögliche Geltendmachung von Ansprüchen aus der Amtshaftung gegenüber dem Bund, wenn das COVID-19-Maßnahmengesetz aufgrund von Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben werden sollte.

Voraussetzung für einen Amtshaftungsanspruch ist grundsätzlich, dass schadenstiftendes Organverhalten rechtswidrig und schuldhaft im Rahmen der Gerichtsbarkeit oder der Hoheitsverwaltung gesetzt worden und ein Schaden eingetreten ist. Im gegenständlichen Fall wird es wohl besonders schwierig zu beweisen sein, dass das handelnde Organ tatsächlich schuldhaft und nicht z.B. im Rahmen einer vertretbaren Rechtsauffassung gehandelt hat. Überdies ist zu beachten, dass das Amtshaftungsgesetz eine sogenannte „Rettungspflicht“ des Geschädigten vorsieht. Der Geschädigte hat innerhalb des betreffenden Verfahrens grundsätzlich alle in Betracht kommenden verfahrensrechtlichen Behelfe vergeblich auszuschöpfen. Auch die rechtzeitige Einbringung eines Antrags auf Entschädigung nach dem Epidemiegesetz könnte darunterfallen.

Fazit: aktiv werden

Jedes Unternehmen, welches durch das vom Gesundheitsminister verordnete Betretungsverbot direkt betroffen ist, sollte daher die wirtschaftliche Abwägung treffen, ob die staatlichen Unterstützungsleistungen, wie Kurzarbeitsbeihilfe, Förderungen aus dem Härtefallfonds, oder ab 20. Mai 2020 auch nicht rückzuzahlende Fixkostenzuschüsse, den erlittenen Verdienstentgang hinreichend kompensieren. In vielen Fällen wird das Unternehmen wohl zu dem Schluss kommen, dass die öffentlichen Förderungen und Unterstützungsleistungen nicht (einmal annähernd) zur Deckung des Vermögensnachteils ausreichen werden. In einem solchen Fall kann die Ansicht vertreten werden, dass die Beantragung einer umfassenden Entschädigungsleistung nach dem Epidemiegesetz, auch wenn sie mit Unsicherheiten und (überschaubaren) Kosten verbunden ist, kaufmännisch vertretbar ist. Dabei sollte jedenfalls auf die Einhaltung der epidemiegesetzlichen Antragsfrist geachtet werden. 

Über die Autoren

Nicolaus Mels-Colloredo ist Partner, Leopold Opferkuch Rechtsanwalt bei PHH Rechtsanwälte. Beide vertreten derzeit mehrere Unternehmen bei der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach dem Epidemiegesetz.