BÖRSE EXPRESS: ESG-Fonds boomen. Neben der gestiegenen Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten ist dies vermutlich auch auf die im März in Kraft getretene EU-Offenlegungsverordnung zurückzuführen, auf die sich einige Fondsanbieter bereits im letzten Jahr vorbereitet hatten. Was halten Sie von der neuen EU-Verordnung und was versprechen Sie sich davon für Ihre nachhaltige Fondspalette

LYDIA REICH: Die Vorgaben aus Brüssel werden die Fondsbranche dauerhaft verändern. Das Thema Nachhaltigkeit wird in den Großteil der Fonds Eingang finden. Ganze Sektoren, wie beispielsweise die Automobil- und Erdölbranche, müssen sich der notwendigen Transformationsherausforderung stellen, und das nicht nur aufgrund der Regulierungen in der Fondsindustrie. Nachhaltigkeitsbezogene Regulierungen betreffen auch Produkte und Dienstleistungen selbst, zusätzlich verändern sich die Absatzmärkte und Nachfragemuster. Prinzipiell ist es ein guter Schritt, im Finanzsektor das Thema Nachhaltigkeit regulatorisch zu verankern. Im Moment geht es vor allem noch um die „ökologische“ Nachhaltigkeit. Im Sinne eines gesamthaften Verständnisses von Nachhaltigkeit, müssen und werden mittelfristig auch soziale Kriterien und jene der Unternehmensführung berücksichtigt werden. Wir gehen davon aus, dass die Offenlegungsverordnung den Absatz nachhaltiger Fonds weiter unterstützen wird, wie viele andere Aspekte des EU-Aktionsplans.

 

War die neue EU-Verordnung einer der Gründe, warum der Raiffeisen Europa Aktien Fonds im Vorjahr auf den Raiffeisen Nachhaltigkeit Europa Aktien umgestellt wurde?

Nein, die Umstellung war ein weiterer logischer Schritt im Rahmen unseres Transformationsprozesses hin zu einer nachhaltigen Fondsgesellschaft. Mit der Umstellung des Fonds können wir unseren nachhaltig orientierten Kundinnen und Kunden ein noch etwas feiner segmentiertes Fondsangebot für die Region Europa anbieten. Denn der Raiffeisen-Nachhaltigkeit-Europa-Aktien investiert in Mid Caps (mittelgroße Unternehmen) und in große Blue Chips, das heißt in Firmen, die in ihren Sektoren die höchste Marktkapitalisierung aufweisen.

 

Wie geht so eine Umstellung vor sich und welche waren die größten Änderungen (z.B. Divestments), die im Zuge der Umstellung des Fonds vorgenommen wurden?

Im Zuge der Umstellung wurden zunächst überprüft, ob die bestehenden Positionen unseren nachhaltigen Standards entsprechen. Ein Teil der Titel konnte das nicht und wurde daher verkauft. Die größte Änderung für das Portfolio ergab sich aus dem Umstand, dass aus der nachhaltigen Risikoeinschätzung (z.B. Umweltverschmutzung) der Energiesektor nun keine für uns investierbaren Titel mehr enthält. Wir haben anstelle dessen nun mehr Titel im Industrie- und IT-Sektor.

 

Wie läuft der Investmentprozess vom Universum bis zur Auswahl geeigneter Titel für den Fonds konkret ab beziehungsweise welche sind dabei die wichtigsten Kriterien/Kennzahlen sowohl finanzieller als auch nicht-finanzieller Art?

Die Grundvoraussetzung dafür, dass ein Titel überhaupt ins Portfolio aufgenommen werden kann, ist, dass bestimmte Negativkriterien, wie Verletzung der Menschenrechte, Verstoß gegen Arbeitsrechte, oder auch die Produktion und Handel von Atomenergie – um nur einige Beispiele zu nennen –, nicht auf den Emittenten zutreffen.

In einem nächsten Schritt erfolgt die Detailanalyse. Hier werden finanziellen Chancen und die Nachhaltigkeit des Titels bewertet. Bei der Analyse, wie verantwortungsvoll ein Unternehmen agiert, greifen wir auf umfangreiches Datenmaterial sowohl aus externem als auch internem Research zurück. Für jede Branche sind die wesentlichsten Nachhaltigkeitsindikatoren festgelegt, die besonders wichtig für die Performance- und Risikoeinschätzung sind: CO2-Emissionen, Wasser- und Energieverbrauch, aber auch die Recyclebarkeit und Wiederverwendbarkeit der hergestellten Produkte, nur als Beispiele. Natürlich sind auch Indikatoren aus den Bereichen „S“ und „G“ festgelegt, beispielsweise Weiterbildungsmaßnahmen für Mitarbeitende oder die Unabhängigkeit des Managements und des Aufsichtsrats. Aus den gewonnenen Erkenntnissen erfolgt die Bewertung anhand eines Scores, des Raiffeisen-ESG-Scores.

Finanz- und Nachhaltigkeitsbewertung sind in diesem Prozess gleich wichtig und werden auch parallel überprüft. Unternehmen müssen in beiden Bereichen überdurchschnittlich punkten, um für ein Investment im Raiffeisen-Nachhaltigkeit-Europa-Aktien infrage zu kommen. Am Ende schaffen es circa 70 handverlesene Titel ins Portfolio.

 

Neben Vermeiden (Negativkriterien) und Unterstützen (Best in Class) ist Engagement die dritte Stufe in Ihrem integrativen Nachhaltigkeitskonzept. Könnten Sie uns Beispiele für solche Unternehmensdialoge bzw. die Ausübung von Stimmrechten beim Raiffeisen Nachhaltigkeit Europa Aktien nennen bzw. gibt es ein Engagement-Konzept für den Fonds?

Unter Engagement verstehen wir den Dialog zwischen dem aktiven Investor und dem Unternehmen zu Themen, die mit Nachhaltigkeit verbunden sind, basierend auf einer klaren Struktur, der „Engagement-Policy“. Ziel ist, das Unternehmen proaktiv von nachhaltigerem Wirtschaften - also von einer Berücksichtigung von ESG-Faktoren - zu überzeugen und damit einen Mehrwert zu generieren, sowohl für das Unternehmen als auch für die Investierenden als auch auf Umwelt- und Gesellschaftsebene. Wir unterscheiden hier zwischen proaktivem und reagierendem Engagement. Der proaktive, konstruktive Dialog mit dem Unternehmen dient dazu, mögliche finanzielle Chancen und Risiken zu identifizieren, während durch das gezielte Ansprechen aktueller Ereignisse – über die Schiene des reagierenden Dialogs – eine möglichst genaue Einschätzung des Unternehmens samt seinem Umfeld und potenzieller Risiken sichergestellt wird. Wir betreiben Engagement in Einzelgesprächen, nützen aber auch Konferenzen und Roadshows, um mit Emittenten in Austausch zu treten. Q&A-Sessions und natürlich auch Aktionärsversammlungen bieten sehr gute Gelegenheiten, Fragen zu nachhaltigen Strategien zu stellen.

Im Rahmen eines thematischen Engagements haben wir z.B. mit der Firma Merck KGaA, in die der Raiffeisen-Nachhaltigkeit-Europa Aktien investiert ist – einen Unternehmensdialog durchgeführt. Hier wurden die nachhaltigen Risiken, die sich im Rahmen der COVID-Pandemie ergeben, angesprochen. Merck ist im Bereich der Nachhaltigkeit besonders engagiert, das zeigte sich z.B. durch das Kostenfreie-zur-Verfügung stellen von Studien, um die Forschungen schneller voranzutreiben.

Ein Engagement ist in der Regel umso erfolgreicher, je höher die Anteile am Unternehmen, sprich je mehr Aktien, damit verbunden sind. Deshalb ist bei Unternehmensdialogen und bei Stimmrechtsausübung die Bildung von Koalitionen unter verantwortungsbewussten Investoren sehr sinnvoll und notwendig. Sehr häufig gelingt es, Unternehmen im Rahmen von Engagement zu mehr Transparenz zu veranlassen, manchmal auch zu einer Strategieänderung im Sinne von mehr Nachhaltigkeit.

 

Welche Kriterien in Bezug auf Marktkapitalisierung und Liquidität werden im Fonds angewandt?

Unsere Untergrenze bei der Marktkapitalisierung ist 1 Milliarde Euro. Der Raiffeisen-Nachhaltigkeit-Europa-Aktien fokussiert auf Unternehmen im Large- (22%) und Mega-Cap- (76%) Segment, was auch impliziert, dass die Liquidität dieser Werte sehr gut ist. Bei der Liquiditätsbewertung kommt bei uns das durchschnittliche Volumen der letzten 30 Tage zu tragen.

 

Der Schwerpunkt der Aktienveranlagung liegt derzeit in Frankreich, Deutschland, der Schweiz und Großbritannien. Welche Sektoren leisteten in den letzten Wochen besonders positive bzw. negative Beiträge zur Performance?

Unsere Veranlagung in den verschiedenen Ländern und Sektoren ergibt sich aus einem Bottom-up Ansatz, wobei die Einzeltitelauswahl im Fokus steht. Seit Jahresanfang betrachtet, haben Unternehmen aus dem Gesundheitssektor positiv zur Performance beigetragen. Während der Covid-Pandemie wurden viele Behandlungen, die nicht dringend notwendig waren, ausgesetzt und gerade heuer sehen viele Unternehmen, die wir im Portfolio halten, wie z.B. der Hörgerätehersteller Sonova oder die Carl Zeiss AG, die Lösungen für Präzisionsoptik anbietet, eine stärkere Nachfrage und Nachholbedarf bei den Patienten. Der Industriesektor hat, wenn man die Geschäftsmodelle betrachtet, das breiteste Spektrum. Nach einem starken 2020 für erneuerbare Energien, wurde vielen dieser Werte Anfang des Jahres der Wind aus Segeln genommen, z.B. dem Windkraftanlagenhersteller Vestas Wind. Die Maßnahmenpakete der EU und auch der Trend der Dekarbonisierung werden langfristig die Nachfrage jedoch weiter unterstützen. Deshalb nutzen wir solche Marktbewegungen als Gelegenheit, selektiv zu zuzukaufen oder überhaupt für ein Erstinvestment.

 

Den Raiffeisen-Nachhaltigkeit-Europa-Aktien sollte ich lieber heute als morgen kaufen, da …

… Europa schon sehr früh den Weg der Nachhaltigkeit beschritten hat und der Raiffeisen-Nachhaltigkeit-Europa Aktien Top-Unternehmen enthält, die Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung anbieten. < Mehr zum Fonds gibt’s hier … Europa schon sehr früh den Weg der Nachhaltigkeit beschritten hat und der Raiffeisen-Nachhaltigkeit-Europa Aktien Top-Unternehmen enthält, die Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung anbieten.

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