Um den Kommunismus zu errichten, forderte Karl Marx in Punkt fünf seines Kommunistischen Manifests die „Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol“. Spätestens 2020, mehr als 137 Jahre nach dem Ableben von Karl Marx kann man feststellen: mission completed (Auftrag erledigt). Dabei begann es in Europa eigentlich ganz harmlos. Mit seinem berühmten „whatever it takes“ rettete der damalige EZB-Präsident Mario Draghi 2012 den durch die Eurokrise angeschlagenen Euro. Die Büchse der Pandora war geöffnet und wurde seitdem nicht mehr verschlossen.

Bereits seit den 1980er-Jahren kennen die Zinsen weltweit nur eine Richtung: nach unten. Wann immer es eine Turbulenz an den Finanzmärkten und in der Wirtschaft gab, haben die Notenbanken gehandelt und die Zinsen gesenkt. Der vorläufige Höhepunkt wurde in der Corona Krise erreicht. In einem kaum noch vorstellbaren Ausmaß reagierten die Zentralbanken weltweit in nie gekannter Einigkeit und fluteten die Märkte mit Zentralbankgeld. Führende Ökonomen sprechen schon lange vom Notenbanksozialismus. Zuletzt warnte der deutsche Wirtschaftsweise Prof. Dr. Feld eindringlich vor einer „Freibier für alle Politik“. Denn die Märkte und die Politik finden dabei scheinbar zunehmend Gefallen an dieser Art der Problemlösung. Das freie Wechselspiel des Marktes wird zunehmend durch die Druckerpresse der Zentralbanken ersetzt.

Geschichte wiederholt sich nicht, aber…

Dabei ist die Idee gar nicht mal so neu. Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber es finden sich immer wieder überraschende Parallelen. Vor genau 300 Jahren, im Jahr 1720, endete ein vergleichbarer Versuch in der ersten großen Finanzkrise. Im Zuge des Spanischen Erbfolgekriegs, der sich über weite Teile Europas erstreckte und sogar in der Neuen Welt ausgetragen wurde, waren die beiden Großmächte England und insbesondere Frankreich finanziell ruiniert. Krieg zu führen war schon damals eine sehr kostspielige Angelegenheit und die beiden Staaten hatten astronomisch hohe Schuldenberge angehäuft. Vor allem Frankreich stand mit dem Rücken zur Wand. Als Louis XIV. am 1. September 1715 starb, waren die Schulden auf unerhörte drei Milliarden Livres gestiegen. Staatseinnahmen von 145 Millionen standen ohne die Zins- und Tilgungslast Ausgaben von 142 Millionen gegenüber. Das Land steckte in einer schweren Rezession, ganze Bevölkerungsschichten verarmten und Einnahmen waren auf Jahre verpfändet. Der Staatsbankrott drohte.

Papiergeld war die Lösung

Der Mario Draghi dieser Zeit war kein Italiener, sondern ein Schotte. Sein Name war John Law, ein Dandy und Glückspieler, den es auf der Flucht vor der englischen Justiz nach Frankreich verschlagen hatte. Der bekannte Ökonom Joseph Schumpeter stelle ihn rückblickend in die erste Reihe der Geldtheoretiker aller Zeiten. Er entwickelte bereits 1705 ein eigenes monetäres System. Sein revolutionärer Ansatz ging davon aus, dass eine Volkswirtschaft profitiert, wenn möglichst viel Geld im Umlauf ist. Denn je größer die Geldmenge, desto günstiger ist es sich welches zu leihen, was wiederum Investitionen erleichtert und so das Wirtschaftswachstum ankurbelt. Das Problem dieser Zeit bestand allerdings darin, dass das übliche Zahlungsmittel Münzen aus Edelmetall waren. Diese ließen sich nicht beliebig reproduzieren. Papiergeld war die Lösung.

Eine Zentralbank musste her

Natürlich sollte dieses Papiergeld zu einem gewissen Teil durch reale Werte gedeckt sein. Um diese Idee umzusetzen, war die Einführung einer Zentralbank notwendig, die die Noten herausgab. Da sich der französische König zu Beginn sträubte eine solche Zentralbank einzurichten gründete Law kurzerhand seine eigene private Notenbank.

Es entstand die Banque générale privée. Diese vergab Kredite in Form von Papiergeld und die Franzosen nahmen die Option dankbar an. 1717 wurden die Banknoten zum gesetzlich festgelegten Zahlungsmittel erklärt und man zog zeitgleich die Münzen aus dem Verkehr. Der Erfolg löste die Vorbehalte der Krone auf und die Idee einer stattlichen Notenbank wurde verwirklicht.

Im Dezember 1718 wurde aus der Banque générale die Banque royale, die sich im alleinigen Besitz der französischen Krone befand. Die Notenpressen liefen auf Hochtouren, es wurden reichlich Kredite vergeben. Die Franzosen vertrauten dem neuen Papiergeld, denn Law versicherte ihnen, dass das Papiergeld mit einer großen Menge Münzgeld, also Gold und Silber, gedeckt sei.

Die Wirtschaft erblühte

Zu Beginn funktionierte Laws Idee eindrucksvoll. Die Franzosen kamen leicht an frisches Geld und die Wirtschaft erblühte. Um die Papiergeldmenge zu erhöhen und gleichzeitig die Staatsschulden abbauen zu können, ging Law auch dazu über, auch Grundvermögen mit dessen in der Zukunft liegenden Ertragsaussichten zur Deckung des Notenumlaufs zu akzeptieren. Dazu nutzte er die neu gegründeten französischen Kolonien in Nordamerika. Er gründete die sogenannte Mississippi-Gesellschaft als Aktiengesellschaft. Deren Zweck sollte es sein, große Goldvorkommen in der größten französischen Kolonie, Louisiana, zu erschließen. 200.000 Aktien wurden ausgegeben zum Wert von 500 Livres, damit auch die kleinen Leute sich beteiligen konnten. Die Franzosen sahen schon eine gigantische Goldflotte auf dem Atlantik kreuzen. Daraufhin explodierte der Kurs der Aktie und stieg gegen Ende auf über 10.000 Livres. Jeder wollte dabei sein und über Nacht wurden aus gewöhnlichen Bürgern vermögende Spekulanten. Auf diese Neureichen war der Begriff „Millionär“ gemünzt, der damals geboren wurde.

Die Inflation zog an

Allerdings zog auch die Inflation stark an. Die Überschwemmung des Marktes mit Geld und die explodierende Nachfrage nach Konsumgütern sorgten innerhalb eines Jahres dafür, dass sich die Preise aller Waren verdoppelten. Zeitgleich wurden immer mehr Aktionäre misstrauisch. Denn Louisiana war ein Land voller Sümpfe, Alligatoren und ein paar armer Holzhütten. Erste Rückkehrer brachten keine guten Nachrichten. Gold fand sich auch nicht in den Kolonien. Innerhalb weniger Wochen brach der Aktienkurs zusammen. Das Vertrauen in die Aktien und die Papierwährung schmolz dahin. Es war die erste große Finanzkrise des Geldsystems. Sie ruinierte Frankreich auf Jahrzehnte. Der vor kurzem noch gefeierte Retter John Law wurde über Nacht zum Geächteten und konnte sich gerade noch rechtzeitig nach Venedig absetzen.

Am Ende der Party muss jemand den Deckel bezahlen

Der Traum der wunderbaren Geldvermehrung war erst einmal ausgeträumt. Ohne Vertrauen in seinen Wert, war das Papiergeld wertlos. Der Zeitzeuge und Philosoph Voltaire kommentierte die Ereignisse damit, dass das Papiergeld „auf den ihm angemessenen Wert zurückgestuft“ wurde. So schön eine Freibierparty auch immer ist, irgendwann ist die Party zu Ende und irgendjemand muss den Deckel (die Rechnung) dann bezahlen.

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