Nur wenige Wochen nach seinem Amtsantritt Anfang Oktober 2022 zog Fresenius-Chef Michael Sen die Reißleine und begann mit seinem intensiven Durchleuchtungsprozess. Kurz zuvor hatte der Konzern zum wiederholten Mal seine Ziele gesenkt.

Fresenius steht bereits seit einigen Jahren unter Druck. Schon vor dem weltweiten Corona-Ausbruch kriselte es wechselweise in Unternehmensteilen, insbesondere aber die Tochter FMC hatte zu kämpfen. Die Pandemie vertiefte die Probleme, wegen der hohen Kosten auch im Krankenhausgeschäft und vieler Corona-Toter unter den Dialyse-Patienten brachen Fresenius Erträge weg.

Damit jagte eine Gewinnwarnung die andere, der Fresenius-Aktienkurs ging immer weiter in den Keller. Beide Konzerne leiteten 2021 Sparprogramme ein, FMC kündigte damals den Abbau von weltweit 5000 Jobs an. Dennoch trübten sich die Perspektiven weiter ein. Im Herbst 2022 zog der Aufsichtsrat endgültig Konsequenzen: Sen löste seinen langjährigen Vorgänger Stephan Sturm ab, der an der Aufgabe gescheitert war, Fresenius wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen.

Sen gilt als Dampfmacher. Während Sturm auf Forderungen von Investoren auf einen Umbau lange zögerlich reagierte, scheut sein Nachfolger die Trennung von ganzen Bereichen offenbar nicht. Das hat der Manager schon bei seinen früheren Arbeitgebern bewiesen: Als Finanzvorstand von Eon 2016 war er für die Abspaltung der Kraftwerkssparte Uniper mitverantwortlich. Bei Siemens verantwortete er 2018 den Börsengang der Medizintechniktochter Healthineers.

Derzeit treibt der neue Konzernlenker bei Fresenius die Entflechtung von FMC voran. So wird eine Dekonsolidierung im Wege eines Formwechsels in eine Aktiengesellschaft erwogen. Ziel ist es, den Blutwäschespezialisten nicht mehr voll in die Bilanz aufnehmen zu müssen. Das muss Fresenius aktuell trotz einer Beteiligung von lediglich 32 Prozent an FMC durch das Konstrukt der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Damit hat Fresenius faktisch das Sagen bei dem Dialyseunternehmen, muss aber auch dessen massiven Ergebniseinbruch komplett mittragen.

Durch eine Entflechtung könnte der Blutwäschespezialist künftig bei Fresenius nur noch anteilig berücksichtigt werden und in der Gewinn-und Verlustrechnung im Finanzergebnis auftauchen. Ob damit der Weg für Sen schon zu Ende ist, bleibt offen. Beobachter halten immer noch eine komplette Trennung durch den Verkauf der Aktien für möglich. Möglicherweise haben solche Aussichten der früheren FMC-Lenkerin Carla Kriwet nicht geschmeckt: Sie gab im vergangenen Dezember nach nur zwei Monaten im Amt wegen "strategischer Differenzen" auf. Die langjährige Finanzchefin Helen Giza konnte dadurch endlich ihren langgehegten Wunsch umsetzen und übernahm das Ruder bei FMC.

Derweil wird auch der Druck von Aktionären größer. Der berüchtigte aktivistische Investor Paul Singer mit seinem Hedgefonds Elliott hat sich inzwischen bei Fresenius eingekauft. Der Amerikaner ist dafür bekannt, bei in Schieflage geratenen Unternehmen auf Veränderungen zu dringen, um dann etwaige Kursgewinne mitnehmen zu können. Auch Singer soll auf eine Herausnahme von FMC aus der Bilanz pochen.

Nun ist die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung am Zug, die wiederum als größte Einzelaktionärin bei Fresenius das gewichtigste Wort hat. Sie muss dem Vorhaben zustimmen. Vor rund zwei Jahren hatte sich die Stiftung noch offen hinter FMC und gegen eine Trennung gestellt, doch jetzt scheint es den Medienberichten zufolge zumindest für die rechtliche Entflechtung einige Befürworter zu geben.

Spannend dürfte auch werden, was Sen mit den übrigen Sparten vorhat. Unter Sturm hatte es zuletzt Pläne für einen Anteilsverkauf oder Börsengang für die Kliniktochter Helios und das Servicegeschäft Vamed gegeben. Diese wurden mit dem Führungswechsel dann offiziell erst einmal auf Eis gelegt.

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Aus dem Börse Express PDF vom 20.02.2023 

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