BEIRUT (dpa-AFX) - Erneut haben Menschen im krisengeplagten Libanon versucht, in Bankfilialen mit Druck an ihre eingefrorenen Ersparnisse zu kommen. Eine Abgeordnete des Parlaments betrat am Mittwoch mit mehreren Mitarbeitern eine Bank nördlich der Hauptstadt Beirut und forderte 8500 US-Dollar von ihrem Sparkonto. "Ich bin hergekommen als libanesische Bürgerin und nicht als Abgeordnete", sagte Cynthia Sarasir, die nach eigenen Worten eine bevorstehende Operation bezahlen muss. Sie brauche das Geld "dringend", sagte ihr Anwalt.

Fast zeitgleich eröffnete ein Mann vor einer weiteren Bankfiliale außerhalb von Beirut das Feuer. Libanesische Medien berichteten, ihm sei mangels Termin kein Zutritt gewährt worden. Auf einem Video war zu sehen, wie der Mann mit einer Waffe auf den Eingangsbereich einer Bank zielt. Die Glasscheibe mindestens einer Tür ging Fotos zufolge zu Bruch. Berichte über Opfer gab es zunächst nicht.

Diese Art von Vorfällen nimmt in dem kleinen Land am Mittelmeer zu. Große Teile der Bevölkerung im Libanon sind in die Armut abgerutscht und zunehmend verzweifelt. Weil das libanesische Pfund früher fest an den Dollar gekoppelt war, haben viele Libanesen Konten in der US-Währung. Da dem Land jedoch die Devisen ausgehen, können sie nur noch sehr begrenzt Dollar von ihrer Bank abheben. Die nationale Währung hat im Zuge der schweren Wirtschaftskrise seit 2019 zudem mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren.

Seit Mitte September gab es wiederholte - und teils erfolgreiche - Versuche von Kontoinhabern, mit Überfällen an ihr eigenes Geld zu kommen. Die libanesische Bankenvereinigung beschuldigte die Zentralbanken für die sich immer weiter verschlechternde Lage. Am Mittwoch versammelten sich auch Dutzende vor der Zentralbank in Beirut, zündeten Reifen an und riefen: "Wir wollen unser Geld."/jot/DP/stw

AXC0170 2022-10-05/12:50

Copyright dpa-AFX Wirtschaftsnachrichten GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung, Wiederveröffentlichung oder dauerhafte Speicherung ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung von dpa-AFX ist nicht gestattet.