Handelskonflikt und Autoflaute: die schwächelnde Weltwirtschaft macht der besonders konjunkturabhängigen Chemiebranche zu schaffen. Während der weltgrößte Branchenvertreter BASF jetzt seine Jahresziele kassieren musste, sieht sich der Spezialchemieanbieter Lanxess "trotz der sich zusehends eintrübenden Konjunktur" auf Kurs zu den eigenen Zielen für 2019.

Die Beruhigungspille von Lanxess-Chef Matthias Zachert wirkte: der Aktienkurs des MDax -Konzerns machte einen Großteil seiner Verluste am Dienstagmittag auf einen Schlag wett. Die BASF-Aktien notierten derweil weiter mit einem Minus von mehr als 5 Prozent am Ende des deutschen Leitindex Dax.

BASF hatte am Montagabend mit einer harschen Gewinnwarnung die Branche sowie Anleger in Aufruhr versetzt. Die spürbar schwächere weltweite Industrieproduktion drückt bei dem Dax -Riesen auf die verkauften Mengen und auf die erzielbaren Preise, was die Gewinnmargen belastet.

Neben den Papieren der Ludwigshafener brachen dann am Dienstagvormittag auch die Aktien von Covestro , Lanxess und Evonik ein. Denn: Strauchelt ein bedeutender Konzern in einer Branche, rechnen viele Anleger auch bei den anderen Unternehmen mit mauen Geschäften. Der europäische Branchenindex der Chemiewerte sank ebenfalls deutlich.

Grund für den Pessimismus war das Ausmaß der Gewinnwarnung von BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller. Statt eines leichten Anstiegs um ein bis zu zehn Prozent beim um Sondereffekte bereinigten Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) geht BASF nun für das laufende Jahr von einem satten Minus um bis zu 30 Prozent aus. Auch beim Umsatz sehen die Aussichten mit einem leichten Rückgang nun nicht mehr so gut aus wie zuvor geplant, als der Konzern noch mit einem Plus von einem bis fünf Prozent rechnete.

Gemeinhin hatten angesichts der wirtschaftlichen Lage viele Branchenexperten eine mögliche Senkung der Jahresziele bereits auf dem Zettel. Die sei nun aber noch drastischer ausgefallen als erwartet, schrieb Analyst Andreas Heine von der Investmentbank Mainfirst. Der neue Ausblick liege auch deutlich unter den bisherigen durchschnittlichen Schätzungen am Markt, schrieb Goldman-Sachs-Expertin Georgina Iwamoto.

BASF verwies auf die besonders stark ausgefallenen Wachstumseinbußen in der globalen Autoindustrie, vor allem in China. Die Autoindustrie ist einer der größten Endabnehmer für die von BASF hergestellten Produkte. Gerade die Autobauer bekommen die Folgen des Zollstreits zwischen den USA und China stark zu spüren. Die Nachfrage im überaus wichtigen chinesischen Markt war rund ein Jahr lang gefallen. Hinzu kommt das Diesel-Dilemma. Erst im Juni musste der Stuttgarter Daimler-Konzern seine Jahresprognosen zusammenstreichen.

BASF litt aber auch unter einer schwachen Entwicklung des Agrarsektors in Nordamerika wegen schwieriger Witterungsbedingungen in den vergangenen Monaten. Zudem hätten sich die Konflikte zwischen den USA und ihren Handelspartnern - insbesondere China - anders als vom Konzern angenommen bislang nicht entschärft. Insgesamt bleibe die Unsicherheit hoch.

So lägen auch die vorläufigen Zahlen zum zweiten Quartal "deutlich" unter den Erwartungen von BASF zu Jahresanfang. Der Umsatz sank demnach um 4 Prozent auf 15,2 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen sackte um 47 Prozent auf 1,0 Milliarden Euro ab. Die endgültigen Zahlen will BASF am 25. Juli vorstellen.

Für den Analysten Andrew Stott von der Schweizer Großbank UBS birgt die Gewinnwarnung nur einen positiven Punkt: Das Effizienzprogramm der Ludwigshafener dürfte nun einen Schub erhalten. Erst Ende Juni hatte BASF ein Sparprogramm angekündigt. So sollen bis Ende 2021 weltweit 6000 Stellen und damit knapp fünf Prozent der 122 000 Arbeitsplätze wegfallen. Ungefähr die Hälfte der Stellen soll in Deutschland eingespart werden, der überwiegende Teil am Heimatstandort Ludwigshafen, hatte ein Sprecher gesagt.

BASF ist kein Einzelfall, die deutsche Chemie- und Pharmabranche insgesamt leidet immer stärker unter Handelskonflikten und der eingetrübten Weltkonjunktur. Nach einem schwachen ersten Halbjahr rechnet die Branche nur mit einer moderaten Belebung im Jahresverlauf, wie der Verband der Chemischen Industrie (VCI) erst vor wenigen Tagen mitteilte. "Die Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung bleiben hoch", sagte Präsident Hans Van Bylen mit Blick auf den Handelsstreit zwischen den USA und China, den Brexit und den Iran-Konflikt.

Um nicht so stark von einer allgemeinen Konjunkturschwäche in Mitleidenschaft gezogen zu werden, richtet sich Lanxess derweil stärker auf die Spezialchemie aus. Hier ist der Konkurrenzdruck gerade durch Billiganbieter oftmals geringer, nicht zuletzt weil mehr Know-How benötigt wird als bei Standardchemikalien. Daher sind in der Spezialchemie meist auch höhere Gewinnmargen erzielbar.

Die Kölner hängen zwar auch an der Autobranche, allerdings längst nicht so stark wie andere Chemiekonzerne. So hatte Konzernchef Zachert bereits 2018 unter anderem mit dem Komplettverkauf der verbliebenen Anteile am Synthese-Kautschukunternehmen Arlanxeo die Abhängigkeit von der Autoindustrie reduziert.

Im ersten Quartal hatte Lanxess zwar auch die schwächelnde Autobranche vor allem im Geschäft mit Spezial-Kunststoffen zu spüren bekommen. Doch die Geschäfte etwa mit Zusätzen für Schmierstoffe und Flammschutzmittel sowie Wasseraufbereitungsprodukten liefen gut.

Für den weiteren Jahresverlauf sehen sich die Kölner denn auch nach dem zweiten Quartal weiter gut gerüstet. Zachert bekräftigte am Dienstag seinen Jahresausblick vom Mai. "Wir haben unsere Abhängigkeit von einzelnen volatilen Branchen reduziert und unsere regionale Aufstellung weiter ausbalanciert," betonte der Manager. Die Aktien erholten sich daraufhin deutlich und notierten in einem viel schwächeren Gesamtmarkt zuletzt nur noch rund ein halbes Prozent im Minus bei 53,08 Euro. Am Morgen waren sie im Sog der BASF-Warnung noch bis auf fast 50 Euro eingebrochen.

Lanxess strebt 2019 beim Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen (Ebitda) sowie vor Sondereinflüssen weiter einen Wert zwischen 1,0 und 1,05 Milliarden Euro an, hieß es vom Unternehmen. Damit peilt der Konzern eine in etwa stabile Entwicklung an nach 1,02 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Die Zahlen für das zweite Quartal sollen am 2. August veröffentlicht werden./mis/he/men/jha/

 ISIN  DE000BASF111  DE0005470405  DE000EVNK013  DE0006062144

AXC0184 2019-07-09/15:27

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