Der Begriff Stagflation stammt aus den 70er-Jahren, als die Ölkrise in zahlreichen Volkswirtschaften für eine Stagnation des Wirtschaftswachstums sorgte. Gleichzeitig stiegen jedoch die Preise. Das Phänomen ist sowohl für die Realwirtschaften als auch die Finanzmärkte äußerst belastend. Leider ist es durchaus denkbar, dass die Weltwirtschaft erneut in eine Stagflation schlittert.

Das Ausmaß der Schäden in den verschiedenen Volkswirtschaften durch den Corona-Lockdown ist längst noch nicht im vollen Ausmaß sichtbar. Mehr Klarheit werden die Unternehmensergebnisse für das zweite Quartal bringen. Dennoch scheinen schon heute Zweifel an dem Optimismus und an der Sorglosigkeit angebracht, die an den Aktienmärkten schon wieder herrschen.

Verschiedene Branchen werden sehr lange brauchen, bis sie wieder das Vor-Corona-Niveau erreichen. Das gilt sicherlich für den Tourismus oder den Flugverkehr. Aber auch auf die Autobauer könnten schwere Zeiten zukommen. Menschen, die um ihren Arbeitsplatz bangen, werden sich sicherlich bei größeren Anschaffungen zurückhalten. Dazu kommen zusätzliche Belastungen wie die CO2-Obergrenzen für die Flotten von Neuwagen, die an dem kommenden Jahr für die Produzenten beim Überschreiten zu empfindlichen Strafzahlungen führen können.

Schließlich sind viele Bereiche der Wirtschaft weiter durch Abstandsregeln und Einschränkungen weiterhin belastet. Das wird voraussichtlich erst ein Ende haben, wenn ein Impfstoff gegen Sars-Cov-2 entwickelt wurde. Experten erwarten, dass dies frühstens im kommenden Jahr der Fall sein dürfte.

Zweite Corona-Welle möglich.

Verschiedene US-amerikanische Bundesstaaten zeigen, dass das Corona-Virus längst noch nicht auf dem Rückzug ist. Und die Vorkommnisse in Peking oder Gütersloh machen deutlich, dass die Infektionszahlen auch in Ländern wieder steigen können, die die Pandemie eigentlich schon weitgehend im Griff hatten. Das Horror-Szenario für die Realwirtschaften wäre eine zweite Corona-Welle. Zahlreiche Unternehmen sind jetzt schon angeschlagen und würden einen erneuten Lockdown kaum überleben. Und die Stimmung der Verbraucher würde in den Keller rutschen.

Dazu kommen abseits von Corona weitere Belastungen, die die Börsianer derzeit weitgehend ausblenden. Zu nennen sind unter anderem der wieder eskalierende Handelsstreit zwischen den USA und China, aber auch mit der EU, sowie das Zusteuern auf einen ungeregelten Brexit. Schließlich schießen die Staatsschulden derart in die Höhe, dass künftig die Bürger noch stärker belastet werden könnten, was den Konsum zusätzlich dämpfen dürfte. Die Rentenversicherung geht bereits davon aus, dass es zumindest im Westen eine Nullrunde gibt.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat gerade erst seine Prognose für die Entwicklung der Weltwirtschaft von minus drei auf minus 4,9 Prozent revidiert. Damit würde das weltweite BIP in diesem Jahr noch stärker schrumpfen als während der Großen Depression in den 30er Jahren.

Zusätzlich könnte wie schon in den 70er-Jahren der Ölpreis wieder Ärger machen. In den USA fahren derzeit die Produzenten von Schieferöl ihre Anlagen runter. Nach den Angaben der Ölservice-Gesellschaft Baker Hughes ist dort die Zahl der Bohrtürme in den zurückliegenden zwölf Monaten von 967 auf nur noch 266 gesunken, also um mehr als 70 Prozent. Grund ist der für die Fracking-Unternehmen zu niedrige Ölpreis, der allerdings seit dem Crash im April wieder deutlich angezogen hat. Dennoch gibt es in der gesamten Ölindustrie drastische Investitions-Kürzungen, die künftig zu einem geringeren Angebot und dementsprechend höheren Preisen führen könnten.

Inflation durchaus denkbar.

Auch in anderen Bereichen könnte es nach einer deflatorischen Phase wieder zu steigenden Preisen kommen. Denn neben dem Nachfrage-Schock erleben wir gleichzeitig einen Angebotsschock. Beispielsweise wird das Angebot an Flügen künftig spürbar kleiner ausfallen als in der Zeit vor Corona. Ob es dann noch Billigflüge nach Frankfurt oder Mallorca geben wird, darf bezweifelt werden. Dem begrenzten oder teilweise sogar geschrumpften Angebot steht eine stark gewachsene Menge an Geld gegenüber. Im Gegensatz zur weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise haben Staaten und Notenbanken dieses Mal nicht nur den Finanzsektor, sondern auch die Realwirtschaft mit Geld vollgepumpt.

Dazu kommt die beschleunigte Deglobalisierung. Wenn Unternehmen Teile ihrer Produktion aus Sicherheitsgründen aus Asien wieder nach Europa oder in die USA verlagern, werden sie versuchen, die höheren Kosten an die Verbraucher weiterzuleiten. Schließlich ist auch der Fachkräftemangel nicht vom Tisch. Das könnte künftig für steigende Löhne und Gehälter sorgen und eine Lohn-Preis-Welle in Gang setzen.

In einem Stagflations-Szenario positionieren sich Anleger am besten mit Sachwerten, also mit Aktien, Immobilien und Gold. Die jüngste Rally mag etwas übertrieben abgelaufen sein, was zusammen mit den gesunkenen Unternehmensgewinnen für eine kräftige Ausweitung der Bewertungen geführt hat. Temporäre Korrekturen sind daher nicht unwahrscheinlich. Dennoch bleiben Aktien zwar nicht unbedingt alternativlos, aber weiterhin eine sehr wettbewerbsfähige Assetklasse. Anleger sollten aber auf jeden Fall auf die Branchen- beziehungsweise Einzelwert-Selektion achten.

Dasselbe gilt für Immobilien. Büros könnten unter dem zunehmenden Trend zum Homeoffice leiden, Wohnungen dürften dagegen weiterhin gefragt bleiben. Schließlich gehört Gold ins Depot. Das Edelmetall schützt vor Inflation und hat sich während der Corona-Pandemie wieder einmal als solides Wertaufbewahrungsmittel erwiesen. 

Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Meinungen und Anlagestrategien finden Sie auf www.v-check.de.