Vielfach werden bloß das aktuelle Geschäftsmodell und die dafür erforderlichen Prozesse digitalisiert. Viel wichtiger wäre, die ganze Wertschöpfungskette neu zu denken. Innovativ heißt nämlich nicht, in erster Linie Bestehendes zu verbessern, sondern Neues zu schaffen. Hinzu kommt, dass der gesamte Bankensektor weltweit mit Wettbewerbern konfrontiert ist, die über technologisches Know-how, Kapazitäten zur schnellen Entwicklung von Innovationen sowie eine konsequente Kundenorientierung verfügen. Eine ernsthafte Konkurrenz.

Kundenfokus, Innovationskultur und Agilität.

Vom Kundenfokus reden Banken seit es sie gibt. Heute ist die Situation aber wirklich fordernd, sonst werden branchenfremde Unternehmen das Geschäft der traditionellen Banken schrittweise übernehmen. Diese kennen dank Technologie den Endkunden und seine Bedürfnisse besser als er selbst und schlagen daraus schnell Kapital. Oder, wie öfter schon zu hören war: in Zukunft braucht es die Banken nicht mehr zwingend, das Banking aber sehr wohl. Die Geschwindigkeit der Veränderungen war dabei noch nie so hoch, wird aber in Zukunft auch nie wieder so langsam sein wie heute. Um dieses Tempo mithalten zu können, bedarf es nicht nur des oben beschriebenen Innovationsverständnisses, sondern vor allem einer neuen Innovationskultur. Es braucht die Bereitschaft, Veränderungen anzunehmen und die Vergangenheit kritisch und ohne Scheuklappen zu hinterfragen. Die Komfortzone gilt es zu verlassen und jeder Kunde ist so zu bedienen, wie er es aus anderen Branchen schon seit längerem gewohnt ist. Dazu gehört eine hohe technologische Kompetenz. Die Global Financial Markets Association und PwC haben 2019 die vier wichtigsten technologischen Kernfähigkeiten genannt: Datamining und Analyse, Cloud Computing, Künstliche Intelligenz und Distributed Ledger Technology (Blockchain). Gemäß einer kürzlich publizierten Studie von Unit4 wächst das Bewusstsein für Künstliche Intelligenz in der ganzen Finanzbranche und 70% geben an, zumindest ansatzweise über das Thema informiert zu sein. 83% der Befragten gehen allerdings auch davon aus, dass sie sich mehr Fachkenntnisse aneignen müssen und würden dabei den Schwerpunkt auf künstliche Intelligenz, Analytik, Data Science, maschinelles Lernen und Programmierung legen. All dies dürfte zweifelsohne auch für Liechtensteins Banken gelten.

Liechtenstein mit Potenzial.

Genau hier setzt die kürzlich eingegangene Zusammenarbeit des Bankenverbandes mit dem kanadischen Blockchain Research Institute an. Durch die Mitgliedschaft bei diesem führenden globalen Think Tank schließen sich der Bankenverband und seine Mitgliedsbanken einer globalen Gemeinschaft von Blockchain-Innovatoren, Experten, -Entwicklern und -Vordenkern an, um die Zukunft des Banking mitzugestalten. Darüber hinaus verfügt Liechtenstein dank der kurzen Entscheidungswege und der relativen Größe seiner Institute über die nötige Agilität und somit eine bessere Ausgangslage als viele andere Finanzplätze.

Nachhaltigkeit im Fokus.

Die Digitalisierung und die damit verbundene Dynamik sind aber nicht die einzigen Herausforderungen. Die Kunden von heute – und mehr noch, die von morgen – wollen nicht nur eine finanzielle Rendite, sondern auch wertorientiert investieren und mit ihren Geldanlagen einen positiven Einfluss zugunsten unserer Umwelt und Gesellschaft erzielen. Gerade die jüngere Generation achtet immer mehr auf Nachhaltigkeit und hat ganz klare Erwartungen an ihre Banken. Nachhaltigkeit ist neben der Digitalisierung zu einem zentralen Transformationstreiber geworden und wird die Finanzbranche dauerhaft verändern. Digitalisierung und Nachhaltigkeit gehen somit Hand in Hand. Die Nachhaltigkeit beantwortet die Frage nach dem «Was» und die Digitalisierung diejenige nach dem «Wie». Oder anders formuliert: Nachhaltigkeit als Megatrend ist mittlerweile bei uns allen angekommen und die Technologie für diese Transformation ist vorhanden.

Die Zeit des Zuwartens ist vorbei.

Für den Erfolg sind allerdings ein Umdenken und entsprechende Reformen nötig. Genau damit tun wir uns derzeit noch schwer. Verpflichtungen und klare Commitments in Verbindung mit messbaren Zielen sind unverzichtbar. Der Klimagipfel COP26 in Glasgow hat nochmals eindrücklich bestätigt, dass, selbst wenn wir alle diese Commitments umsetzen, wir das 1,5 Grad Ziel nicht erreichen werden, sondern bei 2,4 Grad zu liegen kommen und mit rund 600 Millionen Klimaflüchtlingen rechnen müssen. Die Zeit des Zuwartens, Nachdenkens, Analysierens und Versprechens ist vorbei. Ziele sind da, um sie zu erreichen. Wenn sie messbar sind, können sie auch überprüft werden. Einzig durch mess- und überprüfbare Ziele lässt sich Greenwashing und Marketingblasen begegnen. Dies gilt für die einzelnen Institute, die gesamte Wirtschaft und die Politik. Dem erkannten Handlungsbedarf müssen konkrete Aktionen folgen – auf allen Ebenen.

«Net-Zero» als glaubwürdige Zielvorgabe.

Aktuell gerade das wohl glaubwürdigste Commitment in der Finanzbranche ist die Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ). Dabei haben sich 450 Finanzinstitute aus 45 Ländern, die insgesamt 130 Billionen US-Dollar verantworten, zu Netto Null verpflichtet. Die Bankenindustrie ist Teil davon und hat sich unter dem Dach der UNEP FI zur Net-Zero Banking Alliance (NZBA) zusammengeschlossen. Sie umfasst mehr als 50 Mitglieder aus rund 30 Ländern mit einem Gesamtvermögen von 40 Billionen US Dollar.

Mit der LGT Group im April, der LLB im August und der VP Bank im September sind bereits alle drei liechtensteinischen Großbanken der NZBA beigetreten. Die Mitgliedschaften der drei großen Banken zeigen das klare Bekenntnis des liechtensteinischen Bankenplatzes zu einer klimapositiven Zukunft und zum Handeln. Damit nimmt Liechtenstein in Bezug auf die verwalteten Vermögen mit mehr als 85% einen Spitzenplatz unter den Bankenplätzen ein, die sich einen klaren Fahrplan zu Netto Null gegeben haben. So will die LG die Nettoemissionen im Betrieb und diejenigen ihrer Investments gruppenweit bis 2030 auf null senken. Die VP Bank will bis 2026 klimaneutral arbeiten. Und die LLB-Gruppe wird dank vollständiger Kompensation der Treibhausgasemissionen aus dem Bankbetrieb inkl. Pendlerverkehr durch Investitionen in CO2-reduzierende Projekte bereits 2021 klimaneutral.

Denken in Generationen.

Liechtenstein, seine Wirtschaft und sein Bankenplatz werden weiter aktiv an der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit arbeiten und ihrer Verantwortung nachkommen. Denn was wir in den nächsten 10 Jahren nicht tun, können wir vielleicht später gar nicht mehr tun, denn es ist unumkehrbar. Wir sollten uns deshalb ernsthaft fragen, in welcher Zukunft wir leben, welche Welt wir unseren Kindern hinterlassen und ob diese Welt jener entspricht, in welcher diese leben wollen. Und es wird darauf hinauslaufen, dass die entwickelten Länder den Entwicklungsländern deren Transformation finanzieren müssen. Das Geld ist ebenso vorhanden wie die technologischen und digitalen Grundlagen sowie das Wissen und Bewusstsein. Was es jetzt noch braucht, sind konsequentes Handeln, eine neue Kultur sowie ein neuer Mindset. Wenn wir das schaffen, insbesondere auch in Liechtenstein, dann werden wir unserem Claim «Denken in Generationen» wirklich gerecht.

Über Liechtensteinischer Bankenverband

Der Liechtensteinische Bankenverband wurde 1969 gegründet und ist die Stimme der in Liechtenstein tätigen Banken im In- und Ausland. Als Mitglied des Europäischen Bankenverbandes (EBF), des European Payments Council (EPC), des European Parliamentary Financial Services Forums (EPFSF) sowie des Public Affairs Councils (PAC) ist der Verband ein wichtiges Mitglied von Schlüsselgremien auf europäischer Ebene und spielt eine aktive Rolle im europäischen Gesetzgebungsprozess. Seit 2017 ist der Liechtensteinische Bankenverband zudem Mitglied des Public Affairs Council (PAC) mit Büros in Washington und Brüssel und seit März 2018 Mitglied des internationalen Netzwerks ‚Financial Centres for Sustainability‘.

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Über Simon Tribelhorn

Simon Tribelhorn ist Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands (LBV) und Mitglied des Vorstandes von Liechtenstein Finance. Nach seinem Studium an der Hochschule St. Gallen war der Jurist sechs Jahre in der Bankbranche tätig, zuletzt vier Jahre als Rechtskonsulent im Bereich Legal/Compliance bei einer größeren Schweizer Bank. Seit Februar 2006 ist er für den Liechtensteinischen Bankenverband tätig, zunächst als Jurist, später als stellvertretender Geschäftsführer. Im Januar 2010 wurde er zum Geschäftsführer ernannt.

 

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