Und auch für das Gesamtjahr 2025 verheißt der Jahresstart nichts Gutes, denn mit einer Gesamtschadenssumme durch Naturkatastrophen von weltweit 320 Milliarden US-Dollar in 2024, haben die kalifornischen Brände in wenigen Tagen bereits einen großen Teil der letztjährigen Gesamtschadenshöhe erreicht – und das, obwohl Hurrikane in den USA die eigentlichen Kostentreiber sind. So gingen allein in 2024 Schäden mit einer Gesamtsumme von 105 Milliarden US-Dollar auf deren Konto. Zur besseren Einordnung der Zahlen mag auch ein kurzer Vergleich beitragen: die für Deutschland folgenschwerste Hochwasserkatastrophe im Ahrtal aus dem Jahr 2021 sorgte für Gesamtschäden in Höhe von 8,75 Milliarden Euro, die Schäden der einwöchigen Flutkatastrophe im September 2024, die vor allem in Niederösterreich, aber auch in der Steiermark, in Oberösterreich und im nördlichen Burgenland immense Verwüstungen hinterließ, summieren sich auf 1,3 Milliarden Euro. Unabhängig von den absoluten Schadensgrößen stellt sich in allen Fällen die Frage, wer für die Kosten aufkommt und wie die Versicherungsbranche ihre Risikomodelle im Hinblick auf Naturkatastrophen – gerade auch zukünftig – gestaltet?

Erstversicherer an vorderster Front

Anders als bei Sturm, Hagel, Blitzeinschlag oder Brand, bei denen in Deutschland beispielsweise die Hausrat- und Wohngebäudeversicherung greift, sind Naturkatastrophen wie Überschwemmung, Erdbeben, Lawinen oder Schneedruck nur bei Abschluss einer sogenannten Elementarschadenversicherung abgedeckt. In Österreich spricht man analog von Haushalts- und Eigenheimversicherung, die zum besseren Schutz um den Baustein Naturkatastrophen-Versicherung erweitert werden kann. Elementarschaden- bzw. Naturkatastrophen-Versicherungen können bei allen bekannten Erstversicherern wie zum Beispiel Allianz, AXA, VIG, Uniqa, Talanx oder Generali abgeschlossen werden.

Obwohl die Gefahr von Starkregen und Hochwasser in vielen Regionen zugelegt hat, sind z.B. bei unseren Nachbarn in Deutschland lediglich 54 Prozent der Gebäude gegen Naturkatastrophen versichert. Neben mangelndem Wissen um fehlenden Versicherungsschutz, spielen auch die Kosten der zusätzlichen Versicherungsprämie eine Rolle – diese variieren stark und können nur individuell festgelegt werden. So gibt es in Deutschland ein Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen (ZÜRS), welches das gesamte Bundesgebiet in vier Zonen mit jeweils spezifischer Gefährdungsklasse einteilt, woran sich wiederum die Policen-Beiträge orientieren und ob – im Extremfall – eine Elementarschadenversicherung überhaupt abgeschlossen werden kann. Für Deutschland bestehe diese Gefahr aber kaum: „99 Prozent der Gebäude können gegen Naturkatastrophen versichert werden“, verkündete der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) im Jahr 2022. Dennoch macht man sich angesichts der Zunahme von Flutkatastrophen auch von Seiten der Politik Gedanken über eine gesetzliche Pflichtversicherung. Als Vorreiter ist das Bundesland Baden-Württemberg vorangeprescht, das mit 94 Prozent den höchsten Anteil an Gebäuden mit Elementarschadenschutz aufweist. „Die bisher zu erwartende staatliche Unterstützung nach Unwetterkatastrophen setzt Fehlanreize zur Vernachlässigung einer individuellen Risikoprävention. Nach der Einführung einer Versicherungspflicht sollte im Falle eines Schadensereignisses keine Veranlassung mehr für staatliche Finanzhilfen für pflichtwidrig nicht versicherte Gebäude bestehen“, so das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft von Baden-Württemberg.

Ähnliche Bemühungen gibt es auch für Österreich, wo ebenfalls eine notorische Unterdeckung herrscht: „Das Risikobewusstsein gegenüber Naturgefahren ist bei vielen Menschen in Österreich nicht sehr stark ausgeprägt", so Franz Prettenthaler, Direktor des Zentrums für Klima, Energie und Gesellschaft LIFE der Joanneum Research in Graz. Zudem herrsche vielfach der Eindruck, dass der Katastrophenfonds alles kompensiere. Dabei würde schon ein Blick in die Naturkatastrophen-Bilanz 2024 der Münchener Rück reichen. Von den bereits genannten 320 Milliarden US-Dollar Gesamtschäden, sind „nur“ etwa 140 Milliarden US-Dollar versichert. Eine vollständige Deckung kann weder versicherungstechnisch noch gesetzlich verpflichtend geleistet werden, wie das Beispiel Frankreich mit seinem notorisch defizitären staatlichen Fonds für Naturkatastrophen belegt. Dazu sind die Kosten im Vergleich zu den Prämienzahlungen schlichtweg zu hoch.

Rückversicherungsmodell in Gefahr?

Die Rückversicherung wird gerne als Versicherung der Versicherer bezeichnet, was ihre primäre Funktion widerspiegelt – die Übertragung von Risiko vom Erst- hin zum Rückversicherungsunternehmen gegen Prämienzahlung. Zu den wichtigsten Marktteilnehmern zählen neben der Münchener Rück mit einer Marktkapitalisierung von rund 64 Milliarden Euro, die Swiss RE mit ca. 41 Milliarden Euro und die Hannover Rück mit ca. 30 Milliarden Euro. Dabei gilt es zu beachten, dass Rückversicherer sich nicht ausschließlich auf Naturkatastrophen spezialisiert haben. So ist die Münchener Rück beispielsweise auch im Lebens-, Gesundheits- sowie Schaden-/Unfallgeschäft aktiv. Und auch die Vermutung, dass das Geschäftsmodell von Rückversicherern im Kontext vieler Naturkatastrophen wackeln und in Schieflage geraten könnte, hält dem Praxistest in den meisten Fällen nicht stand. Trotz höherer Elementarschäden im Gesamtjahr 2024 stellt die Münchener Rück ihren Aktionär:innen eine Steigerung des Nettogewinns von über 4,2 Milliarden Euro auf rund 5,1 Milliarden Euro in Aussicht. Zeitgleich kündigte die Swiss RE an, ihre „ordentliche Dividende je Aktie in den nächsten drei Jahren jährlich um sieben Prozent oder mehr steigern zu wollen“.

Die Lösung für den scheinbaren Widerspruch von Theorie und Praxis ist vergleichsweise einfach. „Versicherungen haben an sich kein geschäftliches Interesse daran, Schäden zu vermeiden“, so Melanie Gall, Co-Direktorin des Center for Emergency Management and Homeland Security an der Arizona State University. „Sie können ja jederzeit aus jedem Geschäft aussteigen und sich aus einzelnen Bereichen ganz zurückziehen, wenn es für sie zu riskant oder zu teuer wird." Entscheidend sei insofern eine gute Datenbasis und „fortschrittlichste Klima- und Risikomodelle“, welche zukünftige Szenarien einschätzen und bewerten können. Da die Verträge in der Regel jedes Jahr erneuert werden, können Risikobewertungen und daraus resultierende Versicherungsprämien beständig angepasst werden. Zudem verteilen auch Rückversicherer das Risiko auf viele Schultern. „Wir versichern nichts komplett, sondern übernehmen einen Teil von vielleicht fünf, zehn oder zwanzig Prozent, auch wenn wir als einer der größten Rückversicherer unter allen Beteiligten oft führend sind“, erläutert Tobias Grimm, Leiter der Einheit Climate Advisory NatCat Data der Münchener Rück die Vorgehensweise. Insofern werde das Geschäftsmodell der Rückversicherung weiterhin als „Wachstumsmarkt“ wahrgenommen und forciert.

Wer trägt final die Kosten der Naturkatastrophen?

Das Grundprinzip von Versicherungen ist der Transfer von Risiken. Oder wie Melanie Gall formuliert: „Es geht um die Frage, wem welches Risiko zugeschoben werden kann.“ Vielleicht war es pures Glück, vielleicht ist es aber auch einem ausgeklügelten Risikomanagement und Frühwarnsystem zu verdanken, dass europäische Rückversicherer bei der Schadensregulierung der kalifornischen Waldbrände kaum involviert sind. Experten zufolge werden vor allem die großen US-Versicherer wie Allstate, Travelers und Chubb für den Schaden aufkommen müssen. Nach Schätzungen von Wells Fargo und Goldman Sachs beträgt der versicherte Schaden rund 30 Milliarden US-Dollar – und damit weniger als ein Achtel des prognostizierten Gesamtschadens. Trotz des kalifornischen Versicherungs-Programms „Fair Plan“, das staatlich für den Schutz von Häusern sorgen sollte, die aufgrund ihrer gefährdeten Lage anderweitig keine Policen bekamen, dürfte das Gros der Kosten bei den privaten Hauseigentümern hängenbleiben, zumal das Programm nur einen „beschränkten Schutz“ bietet. Anders als in Deutschland gibt es in den USA bereits zum jetzigen Zeitpunkt weite Teile des Landes, die aufgrund ihrer Gefährdungslage nicht oder nur unzureichend versichert werden können. Hauseigentümern bleibt dann nur die Wahl mit dem Risiko zu leben oder wegzuziehen. Versicherungen, die unter regulären Bedingungen für ausreichenden finanziellen Schutz und eine Minimierung des Risikos sorgen würden, geraten in diesen Extremsituationen an den Rand ihrer Möglichkeiten.

Fazit

Mit den richtigen finanzmathematischen Modellen und einem guten Analyseinstrumentarium können Versicherer ihre Risiken minimieren und teilweise weiterreichen. Aus Plausibilitätsgründen sind Naturkatastrophen dennoch nur bedingt berechenbar. Zudem stellt sich die Frage was passiert, wenn aufgrund eines Domino-Effekts größere Teile der Versicherungsbranche in Schieflage geraten. Rückversicherern steht immerhin noch die Möglichkeit offen ihrerseits eine Rückversicherung (Retrozession) einzugehen. Wenn – besonders in den USA – sich die Entwicklung beschleunigt und weitere Gebiete aufgrund der stark anziehenden Prämienbeiträge unversicherbar werden, dürften sich aber auch Rückversicherer den negativen Tendenzen nicht entziehen können.

Bitte beachten Sie, dass eine Veranlagung in Wertpapiere neben Chancen auch Risiken beinhaltet.