Börsen-Zeitung: Sicherheit ist Trumpf, Marktkommentar von Kai

Johannsen

Frankfurt (ots) - Die Erholung der türkischen Lira ist nicht von

langer Dauer gewesen. Die Worte des türkischen Finanzministers Berat

Albayrak, die der Beruhigung der Finanzmärkte dienen sollten,

verschafften der Währung des Landes nur eine kurze Atempause von

gerade mal einem Handelstag.

Unterstützungszusagen für heimische Banken, Ankündigungen, die

Inflation unter Kontrolle zu bringen und Einschätzungen, dass das

Land aus der Währungskrise gestärkt hervorgehen könnte, waren am

Freitag nur noch Schall und Rauch. Der Abstieg der Lira wurde wieder

aufgenommen. Am Freitagabend stand dann ein Tagesverlust gegenüber

dem Dollar von 4,3 Prozent zu Buche. Im Vergleich zum Euro waren es

4,7 Prozent. Seit Jahresanfang hat die Lira damit gegenüber dem

Greenback gut 60 Prozent verloren, im Vergleich zum Euro knapp 53

Prozent.

Bei den in Dollar denominierten Staatsanleihen der Türkei setzten

die Renditen wieder zur Klettertour an, bei den in Lira begebenen

Anleihen verharrten die Renditen im Laufzeitenband von zwei bis zehn

Jahren in der Spanne von fast 27 Prozent (zwei Jahre Laufzeit) bis

gut 21 Prozent (zehn Jahre Laufzeit). Die Renditestrukturkurve ist

somit invertiert. Vor Pleiten hat man das schon häufiger gesehen.

Dies ist ein Strudel, aus dem sich die Türkei derzeit offenkundig

nicht befreien kann. Mit warmen Worten wird das schon gar nicht

funktionieren.

Am Markt heißt es, dass es zwar gut war, dass Finanzminister

Albayrak der Inflationsbekämpfung in seinem Land die höchste

Priorität einräumt. Doch das sind eben alles nur Worte. Es müssen

Taten folgen, auf der fiskalischen Seite, vor allem aber auch seitens

der türkischen Notenbank. Doch da Staatspräsident Recep Tayyip

Erdogan als Feind der Zinsen gilt, wird es mit der so dringend

benötigten Leitzinsanhebung in der Türkei wohl so schnell nichts

werden. Deshalb wird der Verfall der Währung weitergehen. Dafür

braucht man keinen Blick in die Kristallkugel.

Die Türkei ist damit ein sehr großer Unsicherheitsfaktor für die

Kapitalmärkte - zusammen mit dem Handelskonflikt der USA mit China

und anderen Ländern. Es geht die Sorge um, dass diese beiden Faktoren

die internationale Konjunkturentwicklung empfindlich beeinträchtigen

könnten. Das bekämen natürlich nicht nur die entwickelten

Volkswirtschaften wie etwa die Länder der Eurozone zu spüren, sondern

auch die Emerging Markets. Sie sind ein sehr großer Abnehmer von

Industriemetallen, die in den vergangenen Tagen aufgrund der Sorge,

dass die hohe Nachfrage nach Kupfer & Co. zurückgehen könnte, auf

Tauchstation gingen. Ebenso sah die Kursreaktion beim Rohölpreis aus.

Doch beunruhigt noch ein dritter Faktor die Marktakteure sehr, und

das ist Italien. Es gibt zwar rund um den vereinbarten

Haushaltsrahmen derzeit keine neuen Nachrichten, die die Sorgen

weiter befeuern könnten. Aber allein die Angst, es könnte zu

deutlichen Ausgabensteigerungen im Budget für 2019 kommen und damit

neuer Streit in Italiens Politik heraufbeschworen werden, lässt die

Anleger dazu übergehen, lieber die Finger von italienischen

Staatsanleihen zu lassen. Im zehnjährigen Laufzeitenbereich ging es

bis fast auf 3,2 Prozent hinauf. Der Spread zu den deutschen Pendants

liegt derzeit bei knapp 300 Basispunkten. Erste Erinnerungen an die

Staatsschuldenkrise werden wach.

Damit kommt auch wieder die Flucht in Sicherheit in Gang. Die

Anleger steuern in dieser von hohen Unsicherheiten geprägten

Gemengelage die sicheren Häfen an. Von dem Ansteuern der sicheren

Häfen - auch das kennt man nur zu gut aus der Staatsschuldenkrise,

aber auch der Finanzmarktkrise - profitieren die Bundesanleihen.

Es ist beeindruckend, wie weit die Renditen schon wieder gepurzelt

sind. Bei der zehnjährigen Bundesanleihe sind es aktuell noch um die

0,3 Prozent, am Freitag ging es bis auf knapp unter 0,29 Prozent

herunter. Damit ist das Jahrestief von 0,19 Prozent, das Ende Mai

durch die Italien-Unsicherheiten erreicht wurde, nur noch einen

Katzensprung entfernt. Das kann also in wenigen Tagen erreicht sein.

Dafür reicht die nächste Episode im US-Handelsstreit, eine weitere

Abwertungswelle der türkischen Lira oder ein Disput italienischer

Politiker. Das ist alles durchaus wahrscheinlich.

Wer noch sichere 1 Prozent haben will, muss lange suchen. Bei den

Bundesanleihen gibt es diesen Satz selbst bei den Langläufern von 30

Jahren nicht mehr. Die tauchten nun auch am Primärmarkt in der

abgelaufenen Woche unter 1 Prozent. Am Sekundärmarkt waren es am

Freitag noch gerade einmal 0,97 Prozent. Wer mag da noch an das Wort

Zinswende denken.

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