Der nächste Kraftakt, Kommentar zu Bayer von Annette Becker

Frankfurt (ots) - Nur geträumt? Diese Frage muss sich jeder stellen, der vor

zwei Wochen die Jubelstürme ob des Vergleichs von Bayer im Zusammenhang mit den

Glyphosat-Klagen vernahm. Keine Frage, die Kosten sind mit bis zu 10,9 Mrd. Euro

kein Pappenstiel, daran ließ auch Bayer-Chef Werner Baumann keine Zweifel. Doch

überwog trotz alledem die Freude, nach zwei Jahren Hängepartie endlich einen

Schlussstrich unter die unrühmliche Causa ziehen zu können.

Seit Montagnacht ist allerdings klar, dass das Schlusswort in dieser Sache noch

nicht gesprochen ist. Denn der Nebensatz, dass Richter Vince Chhabria - eben

jener Richter, der Bayer im April 2019 in die Mediation zwang - dem Konstrukt

zur Beilegung möglicher künftiger Klagen noch zustimmen muss, war mehr als die

übliche Floskel eines Zustimmungsvorbehalts. Im Gegenteil: Wie der Richter jetzt

wissen lässt, steht er der gefundenen Lösung tendenziell ablehnend gegenüber.

Der gesamte Vergleich, um den Bayer mit den Klägerkanzleien in den USA über

Monate hart gerungen hat, ist damit zwar nicht hinfällig. Doch sollte man die

Frage nach dem Umgang mit möglichen künftigen Schadenersatzklagen im

Zusammenhang mit Glyphosat keinesfalls als Bagatelle abtun. Das tückische an der

Thematik ist, dass viel Zeit zwischen der Nutzung des Herbizids Roundup und dem

Auftreten von Lymphdrüsenkrebs vergehen kann. Wobei in dieser Formulierung schon

unterstellt ist, dass es einen Kausalzusammenhang zwischen der Erkrankung und

dem Einsatz des glyphosathaltigen Herbizids gibt. Eine solche

Ursache-Folge-Kette ist bis heute unter Wissenschaftlern heftig umstritten und

wird von Bayer aufs Schärfste negiert.

Mit dem Vorstoß, die Untersuchung über diesen Zusammenhang an ein mit

Wissenschaftlern besetztes Gremium zu übertragen und dessen Entscheidung ohne

Wenn und Aber zu akzeptieren, schlägt Bayer im Rahmen des Vergleichs jedenfalls

einen Weg ein, der viel Vertrauen in das Herbizid voraussetzt.

Im Mittelpunkt steht für Bayer, die Diskussion endlich aus den Gerichtssälen

herauszuholen, vermochten die zur Verteidigung vorgelegten wissenschaftlichen

Belege in den drei bisherigen Prozessen die Geschworenen doch nicht zu

überzeugen. Das genau ist aber einer der Punkte, an denen sich der US-Richter

reibt. Nun liegt es an den Vergleichsparteien, das Gericht von der

Sinnhaftigkeit und Rechtmäßigkeit des Vorschlags zum Umgang mit künftigen Klagen

zu überzeugen. Vermutlich keine unlösbare Aufgabe, aber ein weiterer Kraftakt.

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