Im Höhenflug, Analyse zum Aktienmarkt von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots) - Der Höhenflug der Aktienmärkte scheint durch nichts

aufzuhalten zu sein. Nach dem ersten nachhaltigeren Durchbruch des Dax über das

alte Rekordhoch von knapp 13.600 Zählern ist der deutsche Leitindex am Freitag

noch bis auf ein Rekordhoch von 13.789 gestiegen. Auf Basis des Wochenschlusses

hat der deutsche Standardwerteindex seit Jahresbeginn um 3,7 Prozent zugelegt.

Die ungebrochene Hausse der Aktienmärkte ist überaus bemerkenswert, findet sie

doch in einem Umfeld statt, in dem sich die Aussichten für die Weltwirtschaft,

deren Wachstum im zurückliegenden Jahr spürbar gesunken ist, deutlich eingetrübt

haben.

Nach wie vor kann überhaupt nicht eingeschätzt werden, wie sich die

Corona-Epidemie weiter entwickeln wird bzw. wann sie überstanden sein wird. Klar

ist nur, dass sie bereits jetzt erhebliche wirtschaftliche Schäden anrichtet.

Welches Gesamtausmaß diese Schäden haben werden, lässt sich nicht seriös

prognostizieren. Fakt ist, dass die Konsenserwartung einer leichten

Beschleunigung des globalen Wachstums wie schon im Vorjahr enttäuscht zu werden

droht.

Die Epidemie wird irgendwann überstanden sein, aber man muss sich -

Nachholeffekte hin oder her - bereits darauf einstellen, dass das Wachstum der

Weltwirtschaft auch 2020 zurückgehen könnte. Dazu reicht ein Blick auf China.

Volkswirte haben ihre Prognosen für das Wachstum Chinas bereits von 6,0 Prozent

auf 5,5 Prozent reduziert - und das unter der Prämisse, dass die Epidemie

relativ zeitnah den Höhepunkt erreicht.

Die Hausse der Aktienmärkte trotz dieser widrigen Umstände unterstreicht die

Macht, die die ultralockere Geldpolitik und die extrem niedrigen Zinsen haben.

Die Notenbanken sind die Haupttriebfeder des bald elf Jahre andauernden und

damit ungewöhnlich langen Bullenmarktes. Zuletzt haben die mexikanischen

Währungshüter ihren Leitsatz reduziert. Damit haben Zentralbanken seit dem

Kollaps von Lehman Brothers im September 2008 laut Bank of America weltweit

insgesamt 800 Leitzinssenkungsschritte beschlossen. Das ist genauso einmalig wie

das aktuell niedrige Zinsniveau, das die Investoren dazu zwingt, immer stärker

ins Risiko zu gehen, und dadurch maßgeblich die Aktienkurse, aber auch andere

Risiko-Assets in die Höhe treibt.

800 Zinssenkungsschritte, dazu noch weitere Stützmaßnahmen wie massive

Liquiditätsspritzen und Wertpapierkäufe: Es kann nicht verwundern, dass sich in

den zurückliegenden Jahren ein Gewöhnungseffekt bei Marktteilnehmern eingestellt

hat, kennen doch viele von ihnen nichts anderes als ebendies. Die Folge ist ein

ausgeprägtes Vertrauen darauf, dass die Zentralbanken im Krisenfall zur Hilfe

eilen und ihre Eingriffe auch dazu führen werden, Ungemach von der

Weltwirtschaft und den Finanzmärkten abzuwenden.

Es ist zwar sehr wahrscheinlich, dass sich die Rekordjagd unter diesen

Voraussetzungen fortsetzen wird und etwa der Dax in absehbarer Zeit auch über

die Schwelle von 14.000 steigen wird. Denn den Investoren fehlen angesichts des

sich immer weiter auftürmenden Bergs negativ rentierender Anleihen schlichtweg

die Alternativen. Jedoch muss auch die Frage aufgeworfen werden, wie weit dies

die Aktienmärkte noch nach oben tragen kann. Niedrige Zinsen, dadurch relativ

günstige Bewertungen und der Mangel an Anlagealternativen werden nicht unendlich

in der Lage sein, einen Bullenmarkt zu tragen, wenn nicht irgendwann die

fundamentale Basis nachzieht.

Derzeit bröckelt sie jedenfalls weiter ab. So werden die

Dividendenausschüttungen der Dax-Unternehmen in diesem Jahr erstmals seit langem

sinken. Allein in der abgelaufenen Woche haben Daimler und die Commerzbank ihre

Dividenden gesenkt. Zwar ist die Dax-Dividendenrendite im Vergleich zur mit

minus 0,40 Prozent rentierenden zehnjährigen Bundesanleihe attraktiv. Dennoch

bricht der Anstieg der Dividenden ab.

Gerade der deutsche Aktienmarkt mit seinem hohen Export- und

China-Geschäftsanteil ist von dem Virusausbruch betroffen. Dabei ist die

absolute Bewertung bereits in den anspruchsvollen Bereich vorgerückt. Auf Basis

des Konsens für den aggregierten Gewinn je Aktie der Dax-Gesellschaften liegt

das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) aktuell bei knapp 15. Der Konsens unterstellt

jedoch immer noch ein zweistelliges Gewinnwachstum. Ein Wachstum von 5 Prozent

unterstellt, läge das KGV bei 15,6. Das ist alles andere als ein günstiges

Bewertungsniveau.

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