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04.08.2020 | 18:50
In der Realität angekommen / Kommentar zu Bayer von Annette Becker
Frankfurt (ots) - Es fällt zunehmend schwer, bei Bayer die Durchsicht auf das
operative Geschäft zu behalten. Das liegt nicht etwa daran, dass die
Leverkusener auf den Ausweis bereinigter Zahlen verzichten - eher das Gegenteil
ist der Fall. Nachdem Ende Juni mit großem Tamtam der Vergleich zur Beseitigung
der Klagewelle in den USA im Zusammenhang mit dem Herbizid Roundup verkündet
wurde - Kostenpunkt: bis zu 10,9 Mrd. Dollar -, steht nämlich schon das nächste
Settlement bevor.
Diesmal geht es um Klagen im Zusammenhang mit der Sterilisationsspirale Essure.
Anhängig sind 32.000 Klagen. Der Vergleich steht noch aus, bilanziell vorgesorgt
wird aber schon einmal mit 1,25 Mrd. Euro. Das erweckt beinahe den Eindruck, als
käme es angesichts von Sonderlasten im Quartal von 12,5 Mrd. Euro auf die eine
Milliarde mehr oder weniger auch nicht mehr an. Ganz abgesehen davon, dass
bezüglich des Roundup-Vergleichs das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
Im zweiten Quartal jedenfalls waren die Sonderfaktoren mehr als viermal so groß
wie das bereinigte operative Ergebnis - eben nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Das
lässt natürlich keinen Schluss auf die operative Entwicklung zu. Was diese
betrifft, hatte Bayer allerdings auch keine gute Nachricht auf Lager, lässt sich
die im Februar aufgestellte Jahresprognose doch nicht länger halten. Das sorgte
weithin für Enttäuschung, zumal es gerade die segmentspezifischen Prognosen in
sich haben. So wird im Pharmageschäft auch im Gesamtjahr mit einem
Umsatzrückgang gerechnet. Cropscience, der Shootingstar des zweiten Quartals,
wird im weiteren Jahresverlauf Federn lassen.
Nachdenklich stimmt aber insbesondere die erwartete Entwicklung beim freien
Cashflow. Sollte die bei Investoren viel beachtete Kennziffer ursprünglich auf 5
Mrd. Euro anschwellen, schätzt sich Bayer nun schon glücklich, wenn 2020 kein
Geld abfließt. Natürlich stehen dahinter erste Auszahlungen im Zusammenhang mit
dem Roundup-Vergleich. Geld, das für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung
steht. Das betrifft zum einen den Schuldenabbau, den Bayer eigentlich
priorisieren wollte. Daraus wird nun nichts, statt der ursprünglich avisierten
Rückführung der Nettofinanzverschuldung bis Ende 2020 auf 27 Mrd. Euro werden
nun zum Jahresende Nettoschulden von 33 Mrd. Euro erwartet. Zum anderen hat eine
ernüchternde Cashflow-Entwicklung auch Implikationen für künftige
Dividendenzahlungen. Damit ist Bayer dann in der zahlungswirksamen Realität des
Monsanto-Kaufs angekommen.
(Börsen-Zeitung, 05.08.2020)
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