In der Realität angekommen / Kommentar zu Bayer von Annette Becker

Frankfurt (ots) - Es fällt zunehmend schwer, bei Bayer die Durchsicht auf das

operative Geschäft zu behalten. Das liegt nicht etwa daran, dass die

Leverkusener auf den Ausweis bereinigter Zahlen verzichten - eher das Gegenteil

ist der Fall. Nachdem Ende Juni mit großem Tamtam der Vergleich zur Beseitigung

der Klagewelle in den USA im Zusammenhang mit dem Herbizid Roundup verkündet

wurde - Kostenpunkt: bis zu 10,9 Mrd. Dollar -, steht nämlich schon das nächste

Settlement bevor.

Diesmal geht es um Klagen im Zusammenhang mit der Sterilisationsspirale Essure.

Anhängig sind 32.000 Klagen. Der Vergleich steht noch aus, bilanziell vorgesorgt

wird aber schon einmal mit 1,25 Mrd. Euro. Das erweckt beinahe den Eindruck, als

käme es angesichts von Sonderlasten im Quartal von 12,5 Mrd. Euro auf die eine

Milliarde mehr oder weniger auch nicht mehr an. Ganz abgesehen davon, dass

bezüglich des Roundup-Vergleichs das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.

Im zweiten Quartal jedenfalls waren die Sonderfaktoren mehr als viermal so groß

wie das bereinigte operative Ergebnis - eben nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Das

lässt natürlich keinen Schluss auf die operative Entwicklung zu. Was diese

betrifft, hatte Bayer allerdings auch keine gute Nachricht auf Lager, lässt sich

die im Februar aufgestellte Jahresprognose doch nicht länger halten. Das sorgte

weithin für Enttäuschung, zumal es gerade die segmentspezifischen Prognosen in

sich haben. So wird im Pharmageschäft auch im Gesamtjahr mit einem

Umsatzrückgang gerechnet. Cropscience, der Shootingstar des zweiten Quartals,

wird im weiteren Jahresverlauf Federn lassen.

Nachdenklich stimmt aber insbesondere die erwartete Entwicklung beim freien

Cashflow. Sollte die bei Investoren viel beachtete Kennziffer ursprünglich auf 5

Mrd. Euro anschwellen, schätzt sich Bayer nun schon glücklich, wenn 2020 kein

Geld abfließt. Natürlich stehen dahinter erste Auszahlungen im Zusammenhang mit

dem Roundup-Vergleich. Geld, das für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung

steht. Das betrifft zum einen den Schuldenabbau, den Bayer eigentlich

priorisieren wollte. Daraus wird nun nichts, statt der ursprünglich avisierten

Rückführung der Nettofinanzverschuldung bis Ende 2020 auf 27 Mrd. Euro werden

nun zum Jahresende Nettoschulden von 33 Mrd. Euro erwartet. Zum anderen hat eine

ernüchternde Cashflow-Entwicklung auch Implikationen für künftige

Dividendenzahlungen. Damit ist Bayer dann in der zahlungswirksamen Realität des

Monsanto-Kaufs angekommen.

(Börsen-Zeitung, 05.08.2020)

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