Sprechen Sie KPI?, ein Kommentar von Jan Schrader zur Taxonomie

Frankfurt (ots) - Sprich mit mir, liebe grüne Zahl, was willst Du mir sagen? Die

viel beschworene Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit ist,

zumindest in Verlautbarungen diverser Akteure, eine ausgemachte Sache. Der

Finanzbranche wird bei der Bewertung und Verteilung von Kapital eine zentrale

Rolle zugeschrieben. Gehen die ambitionierten Pläne der EU auf, wird das neue

Klassifizierungssystem, bekannt als Taxonomie, weitere Kennziffern generieren.

Verschiedene Key Performance Indicators (KPI) klären darüber auf, für welche

Geschäftsfelder Banken­, Fondsadressen und Versicherer ihre Mittel konkret

eingesetzt haben. Den Auftakt machen klimarelevante Angaben, weitere Umweltziele

sowie Sozialaspekte und Kriterien der Unternehmensführung dürften später folgen.

Doch was sagt der ermittelte Anteil der Geschäftsfelder, die mit der Taxonomie

übereinstimmen, konkret aus? Als Maß für Rendite und Risiko taugen die

Kennziffern jedenfalls nicht viel, denn über Erfolg und Aussichten von

Unternehmen oder über Verlustrisiken schweigen sich eine "Green Asset Ratio",

eine "Capex KPI" und andere Ziffern aus. Auch als Gradmesser für den ethischen

Kompass einer Bank, eines Fonds oder einer Versicherung taugt die Zahl nur

bedingt, denn auch in Geschäftsfeldern jenseits der Taxonomie sind nachhaltig

orientierte, kritische Geldgeber gefragt, während ein Investment in grüne

Wirtschaftszweige noch lange keine Wirkung belegt. Was bleibt, ist mehr

Transparenz über die konkrete Verwendung der Mittel und Vermögen. Ob sich der

Aufwand dafür tatsächlich lohnt?

Viel hängt davon ab, welche Botschaft die Investoren den Zahlen tatsächlich

beimessen. Die Chance liegt darin, dass mehr Transparenz zur Nachhaltigkeit

grundsätzlich dazu führt, dass sich Geldgeber genauso wie die Unternehmen, die

im Rahmen der Taxonomie berichten, über die Wirkung ihres Tuns Gedanken machen.

Damit wäre viel gewonnen. Doch zugleich besteht die Gefahr, dass die neuen

Zahlen von vielen Anlegern falsch verstanden werden. Wenn etwa im Verkauf von

Finanzprodukten ein Wettlauf um hohe Taxonomiequoten einsetzt, weil Anleger die

Zahl als präzisen Gradmesser von Gewinnchancen oder Nachhaltigkeit fehldeuten,

dann sind Enttäuschungen programmiert. Dem Ziel der Nachhaltigkeit wäre damit

ein Bärendienst erwiesen.

Vielleicht werden irgendwann die Beipackzettel für Finanzprodukte und die

Vorgaben für den Vertrieb um eine Facette reicher sein: um eine

Übersetzungshilfe für die Kennziffern der Taxonomie.

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