Umbruch, Kommentar zur Eurogruppe von Andreas Heitker

Frankfurt (ots) - Eine solche Zeitenwende wie aktuell hat die Eurogruppe in

ihrer Geschichte wohl selten erlebt: Gleich vier neue Finanzminister aus den

Euro-Staaten nahmen am Montag erstmals an einer Sitzung des Gremiums teil. Als

es dann zum "inklusiven Format" des Treffens überging, bei dem auch die

Ressortchefs der Nicht-Euro-Länder der EU hinzugeholt wurden, kamen vier weitere

neue Gesichter hinzu. Es ist ein wahrer personeller Um­bruch, der die

anstehenden wichtigen finanzpolitischen De­batten - von der Reform des

Stabilitäts- und Wachstumspakts bis hin zur Vollendung der Bankenunion - in neue

Richtungen lenken könnte.

Wer erinnert sich nicht an die selbst ernannten "Frugal Four", die sparsamen

vier (Niederlande, Österreich, Dänemark, Schweden), die 2020 die Ausgestaltung

des Corona-Wiederaufbaufonds maßgeblich beeinflusst haben? In drei dieser vier

Länder haben gerade neue Finanzminister ihre Arbeit aufgenommen. Oder die

informelle Vereinigung der "neuen Hanse", die in der Eurogruppe in den

Vor-Corona-Jahren unter der Führung der Niederlande alle Versuche einer weiteren

Vergemeinschaftung (Stichwort: Eurozonen-Budget) erfolgreich ausgebremst hat.

Auch hier könnten einige dogmatische Positionierungen der Vergangenheit jetzt

noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden. Viele Augen richten sich dabei

auf die neue linksliberale Ministerin in Den Haag, Sigrid Kaag, die sich bei

ihrem ersten Auftritt in Brüssel noch sehr zurücknahm.

Zu viel Eintracht und Harmonie sollte aber auch nach diesem Umbruch niemand

unter Europas Finanzministern erwarten - was sich am Montag noch einmal deutlich

in der Debatte über die geplante Reform der Haushalts- und Verschuldungsregeln

zeigte. Während Frankreichs Ressortchef Bruno Le Maire sich wieder einmal

kämpferisch zeigte und im Zuge der aktuellen Ratspräsidentschaft die lästigen

alten Regeln jetzt endlich über Bord werfen will, setzte Christian Lindner in

seiner ersten Eurogruppe einen überraschend deutlichen Kontrapunkt. Viel klarer,

als es sein Vorgänger Olaf Scholz getan hatte, setzte sich der neue

Bundesfinanzminister für einen stabilitätsorientierten und strengen Kurs, für

den Erhalt der 60-Prozent-Verschuldungsgrenze und gegen neue Ausnahmen zur

Förderung zusätzlicher öffentlicher Investitionen ein.

Konflikte mit Frankreich, aber auch anderen Euro-Schwergewichten wie Italien und

Spanien scheinen damit vorgezeichnet zu sein. Der Personalwechsel in den anderen

Ländern dürfte daran nur wenig ändern.

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