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16.03.2023 | 13:43
DAX 40-Unternehmen: Entlastung bei den Pensionsverpflichtungen
Frankfurt am Main (ots) - Nahezu alle Anlageklassen haben im Jahr 2022
Kursverluste verzeichnen müssen. Das hat sich auch auf das Pensionsvermögen im
DAX 40 ausgewirkt. Der Zeitwert des Vermögens ist von 299 Mrd. Euro um etwa 50
Mrd. Euro auf etwa 248 Mrd. Euro gesunken.
Gleichzeitig hat es einen enormen Anstieg des Rechnungszinssatzes gegeben,
sodass der bilanzielle Wert der Pensionsverpflichtungen nach IFRS ebenfalls
deutlich abgesackt ist - von 412 Mrd. Euro um gut 100 Mrd. Euro auf etwa 309
Mrd. Euro.
Der Deckungsgrad der Pensionsverpflichtungen, der im Vorjahr mit 72 Prozent
bereits einen hohen Stand erreicht hatte, ist damit auf einen neuen Höchststand
von über 80 Prozent angestiegen.
Dies sind die Ergebnisse einer Hochrechnung des Beratungsunternehmens Mercer auf
Basis der bis zum 16. März 2023 veröffentlichten Geschäftsberichte der
DAX-40-Unternehmen.
Die Krisen lassen das Pensionsvermögen schmelzen
Im Jahr 2022 ist das Pensionsvermögen im DAX 40 (in aktueller Zusammensetzung)
von 299 Mrd. Euro um etwa 50 Mrd. Euro auf etwa 248 Mrd. Euro gesunken.
Hauptursache hierfür sind die Kursverluste in nahezu allen Anlageklassen.
Der Rückgang wurde abgemildert durch die geänderte Zusammensetzung des DAX 40.
An vier Stichtagen wurden insgesamt fünf Unternehmen ausgetauscht. Zwei davon,
Beiersdorf und Siemens Energy, haben den DAX im März verlassen, wurden aber noch
im selben Jahr wieder aufgenommen. Im Ergebnis haben somit Delivery Hero,
HelloFresh und Puma den DAX verlassen, während Daimler Truck Holding, Hannover
Rück und Porsche AG neu aufgenommen wurden. Durch diese Änderungen hat sich das
Pensionsvermögen um etwa 6 Mrd. Euro erhöht.
Die Zahlungen liegen etwas höher als die neuen Zuwendungen, per Saldo kam es
dadurch zu einem Mittelabfluss von etwa 2 Mrd. Euro. Im Ergebnis belaufen sich
die Kursverluste also auf ca. 55 Mrd. Euro oder 18 Prozent.
Das Jahr 2022 begann dabei an den Kapitalmärkten zunächst recht positiv,
gestützt durch die weitreichenden Aufhebungen der Covid-19-Beschränkungen in den
Industrieländern. Aufgrund sich stabilisierender Lieferketten und einer moderat
anziehenden Geldpolitik wurde zu Jahresbeginn noch erwartet, dass sich die
bereits erhöhte Inflation schnell wieder normalisieren würde. Ab Ende Februar
dominierte der Angriff Russlands auf die Ukraine den Rest des Jahres. Die Folge
war ein starker Anstieg der Rohstoffpreise, anhaltende bzw. sich noch
verschärfende Lieferkettenprobleme sowie eine enorme geldpolitische Straffung
und eine sehr hohe Inflation. Die Wachstumserwartungen sämtlicher
Volkswirtschaften wurden im Laufe des zweitens Quartals heruntergeschraubt und
das Szenario "Rezession" als reale Gefahr angesehen. Erst gegen Ende des Jahres
hat sich die geldpolitische Straffung etwas verlangsamt, da nun davon
ausgegangen wird, dass in den USA der Inflationspeak bereits überschritten und
der Abwärtstrend eingeleitet ist. Zudem erfolgte in China eine nahezu
vollständige Aufhebung aller Covid-19-Beschränkungen, wodurch ebenfalls ein
Auftrieb der Märkte möglich ist.
Im Ergebnis wies das Jahr 2022 insbesondere eine schwache Performance der
Aktienmärkte auf. So fiel der MSCI World TR Index um 12,3 Prozent, der MSCI
Emerging Markets TR Index um 14,5 Prozent und der MSCI Europe TR Index um 8,9
Prozent (alles jeweils in EUR). Die hohe Inflation und die expansive Geldpolitik
führten zu Verlusten von 13,3 Prozent an den globalen Anleihenmärkten (gemessen
am Bloomberg Barclays Global Aggregate TR Index, in Euro Hedged). Haben
Unternehmen zur Absicherung der bilanziellen Zinsrisiken der
Pensionsverpflichtungen eine längere Duration in ihrem Anleihenportfolio
gewählt, sind die Verluste sogar noch höher ausgefallen.
"Es kam für Investoren im Jahr 2022 also insbesondere darauf an, das Portfolio
risikoärmer aufzustellen und den Verlust möglichst gering zu halten. Aufgrund
der stark zinssensitiven Verpflichtungen konnten Pension-Investoren, trotz der
sinkenden Assets, ihre Bedeckung merklich steigern," kommentiert Jeffrey
Dissmann, Leiter Investment Consulting in Deutschland bei Mercer.
Erhöhung des Rechnungszinssatzes reduziert das Volumen der
Pensionsverpflichtungen deutlich
Im Jahr 2022 ist der bilanzielle Wert der Pensionsverpflichtungen nach IFRS von
412 Mrd. Euro um gut 100 Mrd. Euro auf etwa 309 Mrd. Euro deutlich gesunken.
Durch die geänderte Zusammensetzung des DAX 40 haben sich die
Pensionsverpflichtungen zunächst um 8 Mrd. Euro erhöht. Zudem mussten die
Unternehmen aufgrund der stark gestiegenen Inflation die Annahme für die
Rentendynamik deutlich anheben, was versicherungsmathematische Verluste von etwa
10 Mrd. Euro ausgemacht haben dürfte.
Im Zusammenhang mit den Zinsschritten der Notenbanken zur Inflationsbekämpfung
kam es allerdings auch zu einer signifikanten Erhöhung des Rechnungszinssatzes.
Dies führte zu hohen versicherungsmathematischen Gewinnen, die auch der
Haupttreiber für die Entwicklung der Pensionsverpflichtungen waren. So betragen
diese mehr als ein Drittel der Vorjahresverpflichtung, nämlich etwa 120 Mrd.
Euro. "Bedingt vor allem durch den Ukrainekrieg hat sich das Zinsniveau im Jahr
2022 volatil, insgesamt aber vor allem nach oben entwickelt. Zum Jahresende
haben wir den höchsten Monatsendstand seit über zehn Jahren erreicht", erläutert
Thomas Hagemann, Chefaktuar von Mercer Deutschland.
Mercer leitet den Rechnungszins für Pensionsverpflichtungen mit einem eigenen
Verfahren, der Mercer Yield Curve, her. Für eine Duration von 15 Jahren ist der
Zins für Verpflichtungen in Euro danach von 1,31 Prozent auf 4,21 Prozent und
für eine Duration von 20 Jahren von 1,47 Prozent auf 4,25 Prozent zum 31.
Dezember 2022 gestiegen. "Insgesamt ist die Erhöhung des Rechnungszinssatzes
aber niedriger ausgefallen. Zum einen gibt es verschiedene
Zinsermittlungsverfahren, zum anderen ist ein Großteil der Verpflichtungen in
einer anderen Währung als Euro zu erfüllen", so Hagemann weiter.
Die versicherungsmathematischen Gewinne aufgrund der Zinsentwicklung sind zwar
erfreulich für die Unternehmen, spiegeln aber nur die rein bilanzielle Bewertung
wider. Da die Verpflichtungen selbst in der Regel nicht zinsabhängig sind,
ergibt sich aus der Zinsentwicklung keine tatsächliche langfristige Entlastung
der Unternehmen. Anders dagegen ist die Situation bei den
versicherungsmathematischen Verlusten aufgrund der Anhebung der Rentendynamik.
Diese Erhöhung von etwa 10 Mrd. Euro bildet die in den nächsten Jahren deutlich
erhöhten Rentenanpassungen ab, die zu einer Erhöhung der tatsächlichen Zahlungen
führen wird. Der Rückgang der Pensionsverpflichtungen aufgrund der
Zinsentwicklung verdeckt also das zusätzlich erwartete Verpflichtungsvolumen
aufgrund zukünftiger Anpassungen und zeigt letztlich nur scheinbare
Entlastungen.
Deckungsgrad deutlich angestiegen
Der Deckungsgrad, also das Verhältnis von Pensionsvermögen zu
Pensionsverpflichtungen, hat sich im DAX 40 von 72 Prozent auf einen neuen
Rekord von über 80 Prozent erhöht. Dieser Höchststand ist vor allem durch den
Rückgang der Pensionsverpflichtungen aufgrund der Entwicklung des
Rechnungszinssatzes verursacht.
Pensionsvermögen ist in Deutschland nicht verbindlich. Der Deckungsgrad der
Unternehmen im DAX 40 liegt bei ihren US- und UK-Verpflichtungen höher als bei
ihren Verpflichtungen in Deutschland. Bei Unternehmen außerhalb des DAX 40 sind
zudem meist deutlich geringere Deckungsgrade zu verzeichnen. Da eine gesetzliche
Insolvenzsicherung über den Pensions-Sicherungs-Verein aG besteht, verzichten
manche Unternehmen sogar gänzlich auf Pensionsvermögen. Allerdings ist ein
anhaltender Trend zur bilanziellen Entlastung mittels Ausfinanzierungslösungen,
insbesondere mit Hilfe des Durchführungsweges Pensionsfonds, zu beobachten.
"Ausfinanzierungslösungen dienen der angemessenen Risikosteuerung und helfen
dabei, bestehende und künftige Verpflichtungen und die daraus resultierenden
Bilanz- und Liquiditätsbelastungen optimiert und planbar zu gestalten",
erläutert Dr. André Geilenkothen, Leiter Pension Funding Consulting bei Mercer
Deutschland.
Was kommt in diesem Jahr?
Die globale Wirtschaft steht auch im aktuellen Jahr 2023 weiterhin vor vielen
Unsicherheiten. Der Ukrainekrieg und die damit verbundene Energiekrise sind
nicht vorbei. Die Folgen halten an und eine Einschätzung über das Gesamtausmaß
kann aktuell noch nicht getroffen werden. Die derzeit hohe Inflation wird sich
zwar langsam zurückentwickeln, dürfte uns aber noch einige Jahre begleiten. Mit
dem turnusmäßig neu berechneten Verbraucherpreisindex auf der Basis 2020=100 hat
sich gegenüber dem Höchststand der Inflation von September 2022 noch kein
nennenswerter Rückgang ergeben.
Ebenso ist mit weiteren Zinssteigerungen zu rechnen, auch wenn diese vermutlich
niedriger als zuletzt ausfallen werden. Die ersten beiden Monate sind dabei
weiterhin von Volatilität gezeichnet. Ende Februar lag der Rechnungszins nach
der Mercer Yield Curve aber noch höher als Ende Dezember 2022. Das
Rezessionsszenario bleibt auf globaler Ebene betrachtet weiterhin realistisch.
"Aufgrund der gestiegenen Zinsen und des damit verbundenen hohen Deckungsgrades
ist aktuell ein sinnvoller Zeitpunkt, um wieder in zinstragende Asset-Klassen zu
investieren. Mit einem Liability Driven Investment (LDI)-Ansatz sichert man die
hohe Zinssensitivität der Verpflichtungen ab und reduziert somit die
Bilanzvolatilität", betont Dissmann.
"Damit bietet das aktuelle Kapitalmarktumfeld trotz der bestehenden
Unsicherheiten vielfältige Möglichkeiten. Bestehende Ausfinanzierungslösungen
sollten auf die neuen Gegebenheiten optimiert werden und Unternehmen, die solche
Lösungen bislang noch nicht nutzen, sollten diese Option zumindest prüfen",
ergänzt Geilenkothen.
Vor dem Hintergrund dieser Gegebenheiten zeigt sich der Kapitalmarkt seit
Jahresbeginn 2023 zwar etwas erholt, aber dennoch sehr unsicher und
unentschlossen. Der MSCI World Index in EUR verbucht per 10. März 2023 eine
Rendite von 2,2 Prozent und der MSCI Europe in EUR eine Rendite von 6,8 Prozent
seit Anfang des Jahres. So zeigen beide Indizes Erholungstendenzen gegenüber
2022. Der MSCI Emerging Markets in EUR hingegen zeigt mit -0,1 Prozent eine
schwächere Entwicklung. Die globalen Anleihenmärkte gemessen am Bloomberg
Barclays Global Aggregate Index in Euro Hedged 0,1 Prozent konnten zumindest
weitere Verluste vermeiden. Auf den Assetbestand der DAX 40-Unternehmen könnte
das einen Einfluss von 1 Prozent bis 2 Prozent haben.
Anmerkung für Redakteure
Die vorliegende Analyse ist eine Aktualisierung einer Schätzung, die Mercer im
Januar auf Basis der Vorjahres-Geschäftsberichte und aktueller
Kapitalmarktinformationen erstellt hat. Anders als im Januar handelt es sich nun
um eine deutlich genauere Hochrechnung der Entwicklung von
Pensionsverpflichtungen und Pensionsvermögen auf Basis der bis 16.03.2023, 9:00
Uhr veröffentlichten Geschäftsberichte der DAX-40-Unternehmen. Diese Unternehmen
repräsentieren mehr als 80 Prozent der Pensionsverpflichtungen und
Pensionsvermögen im DAX 40. Dazu gehören: Adidas, Airbus, Allianz, BASF, Bayer,
Beiersdorf, BMW, Brenntag, Covestro, Daimler Truck, Deutsche Post, Deutsche
Telekom, E.ON, Hannover Rück, Henkel, Infineon, Mercedes-Benz Group, Merck,
Münchener Rück, Porsche AG, SAP, Sartorius, Siemens, Siemens Energy, Siemens
Healthineers, Symrise, Volkswagen, Zalando.
Über Mercer
Mercer (https://www.mercer.de/) setzt sich dafür ein, die Zukunft mutig und
intelligent zu gestalten - durch die Transformation der Arbeitswelt, einer
Verbesserung von Vorsorge- und Investmentlösungen wie auch den Einsatz für
Gesundheit und Wohlergehen. Mit annähernd 25.000 Mitarbeitenden in 43 Ländern
ist Mercer in 130 Ländern tätig. Mercer ist ein Tochterunternehmen von Marsh
McLennan (https://www.marshmclennan.com/) (NYSE: MMC), dem führenden globalen
Anbieter von professionellen Dienstleistungen zu den Themen Risiko, Strategie
und HR - mit einem Jahresumsatz von über 20 Mrd. USD und 86.000 Mitarbeitenden.
Als Marktführer hilft Marsh McLennan seinen Kund:innen, in einem immer
dynamischeren und komplexeren Umfeld erfolgreich zu agieren. Zur
Unternehmensgruppe gehören auch Marsh (https://www.marsh.com/us/home.html) , Guy
Carpenter (http://www.guycarp.com/) und Oliver Wyman
(http://www.oliverwyman.com/index.html) . Für weitere Informationen besuchen Sie
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In Deutschland ist Mercer mit über 700 Mitarbeitenden unter anderem an den
Standorten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Leipzig, München und
Stuttgart vertreten. Die Schwerpunkte der Geschäftstätigkeit liegen in der
Beratung von Unternehmen rund um betriebliche Altersversorgung, Investments und
Pensions Administration sowie Vergütung, Human-Capital-Strategie und M&A.
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