Raiffeisen Bank International - Noch kein Licht im Dunkeln
31.03.2023 | 10:54
Die brennendsten Fragen an die RBI sind derzeit: 1. Wie lange noch lässt die Bank ihre Aktionäre auf deren gerechtfertigte Gewinnbeteiligung warten? 2. Wird ihre Banktochter in Russland zugesperrt, von der Mutter abgespalten oder in einem Asset-Tausch mit der Sberbank entkonsolidiert? Die Antworten der RBI darauf blieben auch bei der gestriger ordentlicher Generalversammlung aus.
Trotz äußerem Polizeischutz des Hotels Hilton in Wien vor einer Handvoll Demonstranten kam es bei der oHV der RBI im Versammlungssaal zu einer lautstarken Störung, die niemand verstand, weil sie auf Russisch gebrüllt wurde. Der Störenfried wurde kurz danach aus dem Saal komplimentiert.
Der Ansturm der Aktionäre auf die oGV war andererseits so intensiv, dass schnell noch rund 100 zusätzliche Sessel in den Sitzungssaal gebracht werden mussten, so dass sich der Start der Versammlung um 15 Minuten verspätete. Die Präsenz von 343 stimmberechtigten Aktionären entsprach 76,43 Prozent des Gesamtkapital -- ein rekordverdächtiger Wert. Das Ergebnis des Events entsprach leider nicht den hochgesteckten Erwartungen der Besucher.
Das trotzdem Vorstand und Aufsichtsrat der RBI mehrfach treuherzig versicherten, dass eine Entscheidung über die Auszahlung einer Dividende – seit 2019 wurde keine ausgeschüttet! -- sowie über das Zukunftsschicksal der russischen Konzerntochter zu den höchsten Prioritäten des Unternehmens zähle. Beide Entscheidungen sollen laut RBI-Vorstand im Lauf des zweiten Halbjahres 2023 gefällt werden. Doch wurde weder ein entsprechender Termin noch irgendeine Verpflichtung dazu geäußert. Schade! Denn auf eine Aktionärsfrage wurden die Kosten der jüngsten RBI-oHV mit 35.000 Euro beziffert. Der Informationswert dieses Aufwandes hielt aber den Erwartungen der Aktionäre nicht stand.
Geschäftsergebnisse 2022.
Der Aufsichtsratvorsitzende Erwin Hameseder bezeichnete das Geschäftsjahr 2022 als „dramatischtes Jahr in der Unternehmensgeschichte, das drastische Veränderungen in den Rahmenbedingungen und höchst unerwartete politische Verwerfungen gebracht habe, die bei den anstehenden Entscheidungen einen langen Atem verlangen“. Dieser Atem fällt, wie berichtet, überaus lang aus. Dennoch ist im abgelaufenen Geschäftsjahr ein Gesamtergebnis von 1 Milliarde Euro bzw. + 35 Prozent „auch ohne das Russlandgeschäft erzielt worden“, sagte Hameseder. Die RBI habe kapitalmäßig hervorragend abgeschnitten und ihre ausgezeichnete Stabilitätslage gefestigt. Er dankte den rund 6000 Mitarbeitern der ukrainischen RBI-Tochter für ihre hervorragenden Leistungen für die Kunden trotz der unverschuldeten kriegerischen Zustände in ihrem Land. Ähnliche Anerkennung spendete er auch den Mitarbeitern der russischen RBI-Tochter, die ihren Kunden trotz eines brutalen Krieges nach wie vor zur Verfügung stehen.
Hameseder bezeichnete die RBI Ukraine als „größte westliche Bank im Land mit derzeit 2,9 Millionen Kunden; im abgelaufenen Jahr habe sie ihre Kreditvergaben um eine Viertelmilliarde Euro aufgestockt. Sie sei inzwischen zur viertgrößten Bank des Landes aufgestiegen und habe wesentlich zur Absicherung der Finanzen dieses Landes angesichts eines brutalen Angriffskrieges beigetragen. Allerdings seien seit dem Überfall Russlands rund 1000 Mitarbeiter der RBI-Ukraine in den Westen des Landes oder in andere Nachbarländer geflüchtet.
Zur RBI-Tochter in Russland sagte Hameseder: „Wir möchten die Präsenz in Russland nicht aufgeben. Wir betrachten sie als Brückenkopf für eine grundsätzlich westliche Haltung, wie sie vor Ort für die Zukunft maßgeblich sein wird. Die RBI Russland trägt Verantwortung für die russischen Menschen und das trotz einer Akzeptanz der westlichen Sanktionen gegen Russland. Wir sehen derzeit keine akzeptablen Alternativen für die Zukunft unserer dortigen Präsenz.“
Hameseder bestritt sämtliche medialen Verdächtigungen, dass die RBI lediglich durch die Verlockung kräftiger Gewinne in Russland bleiben wolle. „In Wirklichkeit werden keine Dividenden aus dem Russlandgeschäft in Österreich ausgeschüttet. Das Kreditgeschäft haben wir in Russland fast eingestellt; der Umfang der Geldtransaktionen ist um ein Drittel geschrumpft. Die strategische Priorität in Russland ist für uns eine Schadensminimierung. „Ein Verkauf der RBI-Russland würde lediglich die russische Kriegskasse füllen, während deren russische Kunden — das sind hauptsächlich mittelständische Firmen und Haushalte sowie westliche Unternehmen, die in Russland tätig sind --, Schaden erleiden würden. Ein Rückzug aus Russland ist nicht so einfach, wie sich das viele vorstellen. Hameseder verwies auf zahlreiche westliche Großbanken, wie etwa die italienische UniCredit, die nach wie vor in Russland aktiv tätig sind. „Wir sind noch immer dabei, alle Optionen für die RBI Russland zu prüfen. Inzwischen werden entweder ein etwaiger Ausstieg und risikominimierende Handlungen vorangetrieben. Nicht zuletzt brach der Aufsichtsratsvorsitzende eine Lanze für die 9000 Mitarbeiter der RBI Russland, „die nicht für den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine verantwortlich sind!“
RBI-CEO Johann Strobl vertrat zum Russland-Engagement in etwa dieselbe Linie: „Wir werden mögliche Transaktionen, die zu einem Verkauf oder einer Abspaltung der RBI Russland und ihrer Entkonsolidierung aus unserem Konzern führen würden, weiterverfolgen. Dafür haben wir Prinzipien festgelegt: Wir werden unsere Geschäfte weiter reduzieren, vor allem die Kundenkredite und Fremdwährungsgeschäfte zurückfahren und unser Exposure gegenüber Russland vermindern, aber in jedem Fall unsere Fürsorgepflicht für die Mitarbeiter in Russland wahrnehmen. In allen denkbaren Szenarien soll die Kernkapitalquote robust bleiben. Jede Lösung muss streng nach den lokalen Gesetzen und Vorschriften durchgezogen werden.“
Ergebnis- und Finanzentwicklung mit und ohne Russland.
In seinem Bericht über die Geschäftsergebnisse der RBI im Jahr 2022 trennte CEO Johann Strobl, wie von Aktionären gefordert, das Gesamtergebnis des Konzerns vom Ergebnis ohne Russland. Das zeigte auf, dass sich das Russlandgeschäft unabhängig vom sonstigen Geschäft finanziert. Das Russlandgeschäft erwirtschaftet demnach auch bei Abspaltung der RBI-Tochter selbständige Erträge.
Das Ergebnis des gesamten RBI-Konzerns hat sich 2022 gegenüber 2021 um 164 Prozent auf rund 3,63 Milliarden Euro erhöht, der Return on Equity um 16 Prozentpunkte auf 26,8 Prozent, und die harte Kernkapitalquote um 2,9 Prozentpunkte auf 16 Prozent. Das Ergebnis ohne Russland ergab 2022 ein Ergebnis von 982 Millionen Euro bei 8,7 Prozent Return on Equity sowie eine harte Kernkapitalquote von immerhin 14 Prozent.
Die Forderungen an Kunden im gesamten RBI-Konzern sind 2022 um 2 Prozent auf 103.230 Millionen Euro gestiegen, der Zinsüberschuss um 52 Prozent auf 5.053 Millionen Euro und der Provisionsüberschuss um 95 Prozent auf 3.878 Millionen Euro. Die Cost-Income-Ratio ist gegenüber 2021 um 17 Prozentpunkte auf 36,6 Prozent gesunken. Das Ergebnis ohne Russland ergab 2022 gegenüber 2021 eine Steigerung der Forderungen an Kunden um 6 Prozent auf 93.922 Millionen Euro, wobei der Zinsüberschuss um 37 Prozent auf 3.399 Millionen Euro und der Provisionsüberschuss um 16 Prozent auf 1.739 Millionen Euro gestiegen ist; die Cost-Income-Ratio sank um 9 Prozentpunkte auf exakt 50 Prozent.
Zusammenfassend meinte IVA-Vorstand Florian Beckermann: „Endlich verdient die RBI auch ohne ihr Russlandgeschäft.“
In seinem Ausblick auf 2023 erwartet CEO Strobl keine Rezession, einen weiteren Rückgang der Inflationsrate, jedoch noch nicht auf die EZB-Zielmarke von 2 Prozent, sowie eine leicht positive Wirtschaftsentwicklung.
Weitere neue Debattenerkenntnisse.
In der Generaldebatte wurden von den Aktionären interessante Tatsachen hinterfragt bzw. festgestellt:
Der Eigenbesitz der RBI von eigenen Aktien hat sich zuletzt nicht verändert; er beträgt mit derzeit 448.192 Stück nur 0,14 Prozent des Grundkapitals.
Aktionär Rupert Heinrich Staller bemängelte, dass keines der RBI-Aufsichtsratsmitglieder Aktionär der Raiffeisenbank International sei. Das sollte sich bald ändern, denn es gelte nach wie vor das Sprichwort „Wo Euer Schatz ist, dort ist auch Euer Herz!“
Ihre letzte Dividende hat die RBI für das Jahr 2018 ausgezahlt. In der gestrigen oHV hat sie für den Herbst 2023 zwar eine Dividende von 80 Cent pro Aktie für das Geschäftsjahr 2022 in Aussicht gestellt, sich aber nicht dazu verpflichtet. CEO Strobl: „Auch wenn unser sehr gutes Geschäftsergebnis 2022 sowie unsere solide Kapitalquote die Zahlung einer Dividende erlauben würde, können wir aufgrund der existierenden Unsicherheiten erst zu einem späteren Zeitpunkt über eine Dividende entscheiden.“
Der Vorsitzende des Interessenverbandes der Anleger, (IVA), Florian Beckermann, forderte die RBI auf, bei einer etwaigen Entkonsolidierung ihrer Russlandtochter die Aktionäre in Form einer außerordentlichen Hauptversammlung mitbestimmen zu lassen. Darauf gab es keine Antwort.
Aus dem Börse Express PDF vom 31.03.2023