(Neu: Nach Ende der Konsultationen umfassend aktualisiert)

ROM (dpa-AFX) - In der Regierungskrise in Italien machen die Sozialdemokraten (PD) Druck auf die populistische Fünf-Sterne-Bewegung. Man wolle keine Allianz "um jeden Preis", sagte PD-Chef Nicola Zingaretti am Donnerstag nach Beratungen beim Staatspräsidenten Sergio Mattarella. Sterne-Chef Luigi Di Maio sagte, Italien brauche eine "solide" Regierung - ohne allerdings einen möglichen Partner dafür zu nennen. Er schloss damit Verhandlungen mit den Sozialdemokraten nicht aus. Doch auch der bisherige Regierungspartner der Sterne, Lega-Chef Matteo Salvini, schlug die Tür für eine Neuauflage der Populisten-Allianz nicht zu.

Der Rücktritt von Ministerpräsident Giuseppe Conte hatte am Dienstag endgültig das Aus der Koalition aus rechtspopulistischer Lega und Fünf-Sterne-Bewegung nach monatelangen Streitereien besiegelt. Salvini, bislang Innenminister, dringt auf eine Neuwahl noch im Herbst. Er hatte das Bündnis der unterschiedlichen Partner vor zwei Wochen aufgekündigt. Laut Umfragen könnte er im Fall einer Neuwahl in einer Koalition mit Silvio Berlusconis Forza Italia und der neofaschistischen Kleinpartei Fratelli d'Italia an die Macht kommen und selbst Regierungschef werden.

Seit Mittwoch führte der Staatspräsident Gespräche, um einen Weg aus der schwierigen Krise zu finden. Dabei ist die PD das Zünglein an der Waage: Eine Neuwahl kann eigentlich nur verhindert werden, wenn sich der Oppositionsführer mit der bisher regierenden Fünf-Sterne-Bewegung zusammentut. "Was wir brauchen, ist eine Regierung der Umkehr als Alternative zur Rechten, mit einem neuen Programm", forderte PD-Chef Zingaretti. Dazu gehört auch ein Wandel des rigorosen Anti-Migrations-Kurses.

Beobachter halten es zwar für unwahrscheinlich. Doch auch eine Neuauflage des Bündnisses aus Lega und Fünf Sternen ist nicht vom Tisch. Salvini sagte nach dem Gespräch mit dem Staatspräsidenten: "Verbessern wir die Mannschaft, verbessern wir das (Regierungs-)Programm, nehmen wir uns Zeit und setzen wir uns ein Ziel für, nicht gegen etwas", sagte er. "Ich habe immer gesagt, dass ich ein pragmatischer Mensch bin und somit hege ich keinen Groll, sondern blicke nach vorne und nie zurück."

Der Staatschef wollte sich noch am Donnerstagabend zu den Konsultationen äußern. Wenn er keine Chance für eine neue Regierung unter den bestehenden Mehrheitsverhältnissen im Parlament sieht, könnte er den Weg für eine Neuwahl ebnen. Dafür müsste der Präsident das Parlament auflösen.

Aus den Reihen der Fünf Sterne hatte es zuvor Kritik an den Äußerungen von PD-Chef Zingaretti gegeben. Man könne sich nicht die Agenda von der zweitgrößten Partei diktieren lassen, sagte Manlio Di Stefano dem Fernsehsender SkyTG24. Die Fünf Sterne haben nach ihrem Wahlerfolg 2018 die meisten Sitze im Parlament.

Die Sozialdemokraten hatten sich am Mittwoch für Verhandlungen mit den Sternen geöffnet, allerdings klare Bedingungen gestellt. Unter anderem fordern sie eine Kehrtwende in der Migrationspolitik und einen pro-europäischen Kurs. Sollten sich die traditionell verfeindeten politischen Kräfte einigen, müssten sie den Staatspräsidenten davon überzeugen, dass sie eine Regierung für die restliche Legislaturperiode auf die Beine stellen und mit einem Bündnis nicht nur eine Neuwahl abwenden wollen. Die Sterne und die PD stehen in Umfragen schlecht da.

Salvini hatte - mitgetragen von den Sternen - einen extrem harten Kurs gegen Migranten gefahren. Immer wieder wurden Rettungsschiffe tage- oder gar wochenlang auf dem Meer blockiert. Salvini nannte die Annäherung der beiden Parteien ein "sinnloses Techtelmechtel", das die Öffnung der Häfen Italiens zur Folge hätte./lkl/DP/zb

AXC0280 2019-08-22/19:05

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