BERLIN (dpa-AFX) - Bundesjustizminister Marco Buschmann will Unternehmen in der Krise mit einer vorübergehenden Änderung des Insolvenzrechts helfen. Damit reagiert die Regierung auf eine angesichts der sprunghaft gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten drohende Insolvenzwelle. Der Prognosezeitraum bei der sogenannten Überschuldungsprüfung solle von zwölf auf vier Monate verkürzt werden, sagte der FDP-Politiker am Freitag. Unternehmen würden dadurch Zeit gewinnen, um ihre Geschäftsmodelle anpassen zu können.

"Wer kann zwölf Monate in die Zukunft schauen in diesen unsicheren Zeiten?", sagte Buschmann. Für einen Bäcker sei es beispielsweise eine enorme Erleichterung, dass er nicht mehr vorrechnen müsse, dass er zwölf Monate gesichert den Betrieb fortführen könne. Das nehme ihm die Sorge, aus Sorge vor der Staatsanwaltschaft eher zu früh als zu spät einen Insolvenzantrag stellen zu müssen. "Wer zu spät einen Insolvenzantrag stellt, begeht Insolvenzverschleppung, und das ist ja mittlerweile sogar mit Freiheitsstrafe bedroht", sagte Buschmann. "Deshalb machen sich viele Sorgen."

Es ist nicht die erste krisenbedingte Änderung des Insolvenzrechts in der jüngeren Vergangenheit: In der Corona-Krise hatte die damalige Bundesregierung die Pflicht zum Insolvenzantrag bei Eintritt von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit ausgesetzt. Später wurde diese Regelung für Betriebe, die Schäden durch Starkregen oder Überflutung erlitten, verlängert.

Als weitere Unterstützung für krisengebeutelte Firmen hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck am Donnerstag einen "breiten Rettungsschirm" angekündigt. Eine der geplanten Maßnahmen ist die Ausweitung des Energiekostendämpfungsprogramms (EKDP) auch für für kleinere und mittlere Unternehmen.

Mit dem EKDP darf Deutschland nach EU-Vorgabe energieintensive Unternehmen mit bis zu fünf Milliarden Euro Staatshilfe unterstützen. Die Zuschüsse müssen Unternehmen nicht zurückzahlen. Bisher war die Unterstützung aber auf Firmen beschränkt, die viel Handel treiben. Diese Maßgabe soll wegfallen. Davon sollen vor allem Mittelständler profitieren. Die Unterstützung solle nicht auf bestimmte Branchen begrenzt sein, sagte Habeck. Kriterien, um von den Hilfen zu profitieren, könnten zum Beispiel der Anteil der Energiekosten am Produkt oder am Umsatz sein.

Seit dem Start des Programms Mitte Juli haben - noch zu den alten, einschränkenden Kriterien - 586 Unternehmen mehr als 3200 Anträge an die Bundesregierung gestellt, um entsprechende Zuschüsse zu erhalten. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der CDU-Abgeordneten Julia Klöckner hervor. In den kommenden Wochen erwarte das Ministerium eine deutliche Steigerung dieser Zahlen.

Bei allen Unterstützungsmaßnahmen gilt allerdings auch: Breitgestreute Hilfen wie zur Hochzeit der Corona-Krise soll es diesmal nicht geben. Finanzminister Christian Lindner hatte gesagt, es handele sich diesmal um ein Angebots- und kein Nachfrageproblem. Vorgesehen sei zudem, Ursachen steigender Preise anzugehen, etwa mit der vorgesehenen Strompreisbremse.

Buschmann sagte am Freitag auf die Frage nach weiteren Unterstützungsmaßnahmen: "Die Unternehmen wollen ja keine Almosen. Die Unternehmen wollen ihr Geschäft weiterbetreiben." Aufgabe der Politik sei es vor allem, für sinkende Energiepreise zu sorgen. "Dafür ist das zentrale Instrument die Strompreisbremse."/svv/DP/zb

AXC0213 2022-09-09/16:36

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