Als RWE Mitte November seine Wachstumsstrategie bis 2030 zum Ausbau der Alternativen Energien vorlegte, hatten sich die Essener wohl nicht träumen lassen, wie viel Rückenwind sie in den nächsten Monaten bekommen sollten. Denn mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs haben sich die internationalen Bemühungen, unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu werden, massiv beschleunigt - insbesondere von russischen Energieträgern.

So will EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den "Turbo" bei der Energiewende und plant unter anderem milliardenschwere Investitionen, beschleunigte Genehmigungsverfahren sowie eine Solardach-Pflicht. Und hierzulande soll mithilfe von neuen Gesetzen innerhalb weniger als eines Jahrzehnts der Anteil der Alternativen Energien fast verdoppelt und die Geschwindigkeit beim Ausbau verdreifacht werden.

RWE spielt bei diesen Vorhaben eine zentrale Rolle. Nicht nur, weil die sowieso schon geplanten und beantragten Wind- und Solarenergie-Projekte nun möglicherweise schneller realisiert werden und viele weitere dazu kommen dürften. Sondern auch, weil die Bundesregierung bei ihren Vorhaben ganz konkret auf den Dax-Konzern setzt, zum Beispiel beim Bau von Terminals für verflüssigtes Erdgas (LNG). Bei einem der geplanten Standorte - Brunsbüttel - ist RWE nun Teilhaber. Außerdem hat das Unternehmen zwei sogenannte Floating Storage and Regasification Units (FSRU) gechartert und verantwortet auch deren Betrieb.

Die Spezialschiffe können LNG von Tankern aufnehmen, an Bord in einen gasförmigen Aggregatzustand überführen und anschließend ins Gasnetz einspeisen. Sie sollen als Übergangslösung zum Anlanden von Flüssiggas fungieren, bis die ersten LNG-Terminals auf dem deutschen Festland fertiggestellt sind. RWE handele im Auftrag und im Namen der Bundesregierung, teilte der Konzern Anfang Mai mit, als mit dem offiziellen Baustart des Flüssiggas-Terminals in Wilhelmshaven auch die Charterverträge für die beiden Schiffe abgeschlossen wurden.

Derweil vergeht kaum eine Woche, in der der Konzern keinen Fortschritt beim Ausbau des eigenen grünen Energieportfolios vermeldet. Sei es ein neu ans Netz gegangenen Windpark, die Unterschrift für einen weiteren, den Zuschlag für ein Solarprojekt oder eine Elektrolyse-Testanlage. Gleichzeitig ziehen sich die Essener weiter aus dem Geschäft mit fossilen Energieträgern zurück und legen immer mehr Kern- und Braunkohle-Kraftwerksblöcke still. Auch hier profitiert RWE von der neuen Bundesregierung. Denn die wollte auch schon vor dem Ukraine-Krieg schnelleren Schrittes den Weg aus den fossilen Brennstoffen finden.

Dass der Fokus bei RWE in Zukunft stärker auf Alternative Energien liegen würde, war spätestens seit der Neuordnung des Energiemarktes 2018 klar, als der Konzern unter anderem durch das Tauschgeschäft mit dem Konkurrenten Eon <DE000ENAG999> die Kapazitäten von Innogy zugeschrieben bekam. In diesem Zuge hatte RWE sich voll dem Geschäft der Stromerzeugung verschrieben, während Eon sich seither dem Netzbetrieb widmet. Das Geschäft mit der Kohle- und Atomenergie nennt RWE mittlerweile das Nicht-Kerngeschäft, während Windkraft an Land und auf See, Solar, Energiehandel sowie Wasser, Biomasse und Gas das Kerngeschäft bilden.

Mit den Jahren soll der Anteil am operativen Ergebnis aus dem Nicht-Kerngeschäft durch die Alternativen immer weiter ersetzt werden. So ging im ersten Quartal das bereinigte operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) im Kohle- und Kerngeschäft um mehr als ein Drittel auf 207 Millionen Euro zurück, während es konzernweit um 65 Prozent auf 1,46 Milliarden Euro stieg. Auf Jahressicht will RWE das bereinigte operative Ergebnis auf 3,6 bis 4 Milliarden Euro steigern.

Die Analysten.

Das Zahlenwerk zum ersten Quartal hat die Zunft der Analysten überzeugt. Grund zur Kritik fanden sie lediglich darin, dass RWE den Ausblick für das Gesamtjahr "nur" bestätigt habe, wie unter anderem John Musk von der kanadischen Bank RBC monierte. RWE sei "hervorragend positioniert", um von den Veränderungen der europäischen Energiepolitik zu profitieren, schrieb der Experte. Sein Kollege Peter Crampton von der britischen Investmentbank Barclays zeigte sich derweil zuversichtlich, dass RWE die Jahresziele noch ein drittes Mal anheben wird.

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Aus dem Börse Express PDF von 24. Mai hier zum Download

 

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