Die Coronavirus-Krise wird auch in der verkürzten Vorosterwoche den deutschen Aktienmarkt fest im Griff haben. Während in China allmählich wieder Normalität einkehrt und auch in Europa die Zahl der Neuinfektionen abzunehmen scheint, verschärft sich zugleich die Lage in der weltgrößten Volkswirtschaft, den USA. Das verunsichert und lässt weitere stärkere Schwankungen an den Börsen allgemein und damit auch am deutschen Aktienmarkt erwarten.

Auch ein weiterer Ausverkauf gilt als möglich, denn bislang kann keiner das genaue Ausmaß abschätzen, das die virusbedingten Einschränkungen im gesellschaftlichen Leben auf die Wirtschaft haben. Zudem ist ungewiss, wie lange sie aufrecht erhalten werden müssen. Daher rücken Konjunkturdaten - vor allem jene ab März - verstärkt in den Fokus. Unternehmensseitig dürften außerdem noch mehr Jahresziele zurückgenommen, Dividenden gestrichen und Aktienrückkaufprogramme ausgesetzt werden.

"Die Lage an den Aktienmärkten hat sich zuletzt zwar etwas beruhigt, dabei handelt es sich vermutlich aber lediglich um eine Zwischenerholung", schreibt Analyst Markus Reinwand von der Helaba. Er sieht typische Merkmale einer "Bärenmarkt-Rally", in der auf einen starken Absturz zwischenzeitlich deutliche Erholungsbewegungen folgen, bevor es zu weiteren Kurseinbrüche kommt.

Aktienstratege Uwe Streich von der LBBW geht ebenfalls davon aus, "dass die Märkte ihren Boden noch nicht ganz gefunden haben". Marktexperte Jochen Stanzl von CMC Markets hält sogar "panikartige Zustände" wie in den ersten beiden März-Wochen "zeitnah für denkbar", während Robert Halver von der Baader Bank optimistischer ist. Der von der Finanznachrichten-Website CNN Business ermittelte Angst & Gier-Index signalisiere nachlassende extreme Angst. "Emotional scheint das Schlimmste hinter uns zu liegen", folgert Halver daher und hofft, dass den Börsen die zweite Verkaufswelle erspart bleibt.

Während der Dax noch Mitte Februar bei knapp unter 13 800 Punkten auf ein Rekordhoch gestiegen war, hatte - ausgelöst durch die Corona-Pandemie - bald darauf eine rasante Talfahrt eingesetzt. In einer jähen Abwärtsbewegung war der deutsche Leitindex bis Mitte März um 40 Prozent in Richtung 8200 Punkte abgestützt . Seither versucht er sich an einer Erholung und hat - ausgehend von seinem Tief bei 8255 Punkten - bislang wieder rund 15 Prozent gut gemacht.

Mit Hochspannung wird in der neuen Woche nun auf die Wirtschaftsdaten geschaut, auch wenn die Agenda recht dünn ist. "Die Auftragseingänge für die deutsche Industrie im Februar dürften die ersten Auswirkungen der Corona-Krise auf die deutsche Wirtschaft zeigen", erwartet Ralph Solveen, Volkswirt bei der Commerzbank und verweist auf die schwächere Nachfrage aus China. Diese Daten werden am Montag veröffentlicht.

Die am Dienstag anstehenden Daten zur Produktion in Deutschland dürften dagegen weniger interessieren. Hier sollte die geringere Nachfrage im Februar noch nicht durchgeschlagen haben. Dagegen dürfte die ebenfalls für Dienstag geplante Telefonkonferenz der EU-Finanzminister Aufmerksamkeit binden, denn da wird es um gemeinsame europäische Anstrengungen zur finanziellen Bewältigung der Corona-Krise gehen. Die Gespräche dürften sich vor allem um Alternativen zu den von Frankreich, Italien und Spanien ins Spiel gebrachten Corona-Bonds drehen. "Die Sorge, dass die Pandemie eine zweite Euro-Krise auslösen könnte, ist keineswegs mehr nur noch eine Außenseiter-Meinung", warnt LBBW-Experte Streich.

Abgesehen vom Sitzungsprotokoll des Offenmarktausschusses der US-Notenbank am Mittwochabend, das nach neuen Hinweisen zur US-Wirtschaftslage durchforstet werden dürfte, stehen am Donnerstag neue Daten zu den wöchentlichen Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe auf der Agenda. Im Zuge der Viruskrise verlieren inzwischen jede Woche Millionen Menschen in den USA ihren Job. Allein in den letzten beiden März-Wochen wurden insgesamt fast 10 Millionen Unterstützungsanträge gestellt. Da zugleich die Virus-Krise in der weltgrößten Volkswirtschaft ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat, dürfte die Lage im April noch deutlich gravierender werden.

Und so stellen sich zunehmend mehr Marktexperten inzwischen auch darauf ein, dass die Wirtschaftserholung weltweit, nicht wie zunächst erhofft V-förmig verlaufen dürfte, sondern eher langsamer, wie ein U. "Dies liegt vor allem daran, dass die globalen Absatzmärkte zeitversetzt betroffen sind", argumentiert Finanzchef Daniel Schär von der Weberbank. Während sich in China die Lage stabilisiert und die Industrie wieder produziert, sind die Märkte in Europa nahezu geschlossen und nun auch in den USA.

Immer mehr Unternehmen sehen sich angesichts dieses allgemeinen "Shut Downs" daher gezwungen, ihre Ausblicke ad acta zu legen und etwaige Aktienrückkäufe zu stoppen, so wie zuletzt etwa Munich Re . Zunehmend wird auch die Dividende gestrichen. Nach den Dax-Konzernen stehen hier auch verstärkt mittlere und kleinere Unternehmen aus MDax und SDax im Blick.

Mindestens 14 Unternehmen aus diesen beiden Indizes hätten bereits den Rotstift bei den Ausschüttungen angesetzt, hat Analyst Markus Wallner ermittelt. Weitere dürften folgen, so wahrscheinlich Grenke , Ado Properties , Jenoptik oder Salzgitter , erwartet er. "Je länger wegen des Virus die Produktion stillstehen und die Nachfrage schwach sein wird, umso mehr Unternehmen des mittleren Segments wie Dürr , K+S oder Bilfinger sollten folgen, um benötigte Liquidität im Unternehmen zu halten", schreibt er.

Welche Überraschungen der Verpackungsspezialist Gerresheimer am Gründonnerstag bereit hält, wird sich zeigen. Das erste Quartal, über das das Unternehmen berichten wird, sollte indes noch keine Auswirkungen der Corona-Krise zeigen, erwarten Analysten./ck/jsl/he

--- Von Claudia Müller, dpa-AFX ---

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AXC0356 2020-04-03/16:54

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