Die Aktienbörsen scheinen nicht aufzuhalten zu sein. Und wie sagte Dr. Flossbach so schön: „Kapitalanlage war noch nie so einfach. Wer Rendite haben möchte, muss in Aktien“. Rückschläge werden gekauft, schließlich sucht jede Menge Geld eine Anlage. Und es wird noch jede Menge Geld hinzukommen. Der US-Präsident macht das „Helikoptergeld“ wahr, Kanzlerkandidat Scholz will die Schuldenbremse auch 2022 aussetzen und der griechische Zentralbankchef trommelt für mehr „Geld drucken“. Und wohin die italienische Politik unter Draghi steuert, kann man sich nach seinen Jahren als EZB-Boss realistisch vorstellen. Alle Maßnahmen, die unter dem Deckmantel der Corona-Bekämpfung beschlossen werden, führen zu einem Ergebnis: Sie verhindern noch Schlimmeres. Dies ist zwar durchaus positiv, aber sie generieren kein höheres BIP (im Vergleich zu 2019). Und vor allem: Gleichzeitig wächst der weltweite Schuldenberg, und das mit immer rasanterem Tempo.

Das Licht am Ende des Tunnels könnte sich als entgegenkommender Intercity entpuppen. Denn das aus der Überschuldung erwachsende Problem ist die Tatsache, dass eine Verzinsung wie im Durchschnitt der letzten 20 Jahre nicht mehr möglich ist. Auch dazu gibt es ein (komödiantisch gemeintes, aber realistisches) Zitat: Bis zur nächsten Währungsreform wird es keine Zinsen mehr geben. Ernst gemeint bedeutet dies: Der „Point of no return“ ist überschritten. Ein kräftig steigender Kapitalmarktzins (entgegen aller Bemühungen der Notenbanken) würde die Welt in arge Bedrängnis stürzen, zumal dieses Mal die Inflation der Zinstreiber wäre und nicht eine florierende Wirtschaft.

Da die Schulden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft weiter steigen werden, wird deren Refinanzierung zum immer größeren Problem. Erste Reaktionen zeigten die Börsen von Oktober 2020 bis März 2021, als die Zinsen der 10-jährigen Bundesanleihen von minus 0,63 auf minus 0,25 Prozent stiegen. Die entsprechenden US-Treasuries stiegen von 0,7 auf 1,76 Prozent (der Kurs fiel von 157 auf 139). Alles noch kein Problem, aber wie ist die weitere Entwicklung einzuschätzen, wenn die Inflationszahlen die Ziele bei zwei Prozent deutlich übersteigen?

Erste Anzeichen sind nicht zu übersehen. Steigen die Zinsen weiter, würden Renten-, Aktien- und Immobilienpreise die Trendrichtung umkehren. Die Korrekturen könnten kräftiger ausfallen, wie die „Wohlfühl-Anleger“ sich vorstellen. Dann dürfte sich herausstellen, dass sie ihre Risiko-Toleranz überschätzt haben. Aktuell werden die Notenbanken bald wieder auf Shopping-Tour gehen, um so die Zinsen nicht weiter ansteigen zu lassen. Denn erste Warnsignale, wie Aktienmärkte reagieren werden, wenn die Zinsen weiter steigen, demonstrierte der Nasdaq 100. Und das alles nur, weil der US-FED-Chef die Inflationsgefahren herunterspielte und zum Ankauf von Anleihen keine Stellung bezog. In der Januar-Kolumne hatte ich vor Tesla gewarnt, im Februar ist der Kurs um bis zu 40 Prozent eingebrochen.

Die Kurse etlicher „Modeaktien“ dürften bei steigenden Zinsen massiv gestutzt werden, denn die „neuen“ Anlagestrategien könnten zum Bumerang werden. Der Roboter-Berater spuckt nur noch Verkaufsaufträge aus, die Trendfolger spielen jetzt den Abwärtstrend und die ETF-Anleger erkennen, dass es kein „Entrinnen“ gibt. Allein die europäischen Index-ETF belaufen sich auf ein Volumen von etwa einer Billion Euro. Hinzu kommen noch die iShares. Zunächst als Risiko minimierendes Produkte erdacht, wird man erkennen, dass man sich nicht dem Risiko fallender Märkte entziehen kann. Eventuell sind mit diesen Produkten auch mal wieder die „falschen“ Anleger in die Aktienmärkte gelockt worden.

Die Grundidee war ja richtig. Der Anleger entgeht dem Einzelwertrisiko (zum Beispiel Wirecard) oder er kann auch in fernen Börsen (beispielsweise China, Asien), Themenaktien oder kleineren Werte (zum Besipiel Wasserstoff, Cannabis, Impfstoffe) investieren. Wenn aber in einen Crash auch die Produkte „ausgeladen“ werden, wird dadurch in bereits ausgebombten Aktien und Märkten weiter verkauft. Mit dramatischen Folgen für deren Kurse, besonders bei kleinen, marktengen Papieren.

Das Risiko steigender Inflation und/oder steigender Zinsen habe ich schon vor Monaten hier angesprochen. In der Vergangenheit haben höhere Inflationszahlen fast automatisch zu höheren Zinsen geführt, weil die Notenbanken die Inflationsgefahr mit höheren Diskontzinsen bekämpft haben. Hier muss für die Zukunft hinterfragt werden, ob die Währungshüter die Zinsen überhaupt nennenswert erhöhen können. Der irrsinnige Schuldenberg dürfte dies verhindern. Aber trotzdem steigende Zinsen gefährden die Konjunkturerholung und treiben die Zombie-Unternehmen in den Bankrott. Das könnte die Notenbanken zu weiterem Eingreifen veranlassen, was ironischerweise höhere Inflation verursachen und in der Folge zu noch höheren Zinsen führen würde.

Als „Versicherung“ für ein solch negatives Szenario sind die Edelmetalle eine sinnvolle Investition. Zumindest haben in der Vergangenheit die Preise von Edelmetallen und Rohstoffen bei steigenden Minusrenditen immer kräftig angezogen. Mir wird derzeit öfters die Frage gestellt, warum der Goldpreis seit August 2020 fällt, obwohl die Problematik doch bekannt ist. Die Antwort ist einfach: Das Risiko ist bekannt, aber (noch) nicht eingetreten.

Außerdem verhält sich Gold wie andere Assets auch: Es schwankt nach den Regeln der Börse. Die Entwicklung der Preise ist daher technisch wie folgt einzuordnen: Seit 2016 hat sich der Goldkurs bis Mitte 2020 in etwa verdoppelt (um ca. 1000 US-Dollar). Seitdem hat er von dem Kurshoch bei ca. 2070 Dollar um ein Drittel des Kursanstiegs nachgegeben. Das „ideale“ Fibonacci Retracement liegt bei 38,2 Prozent, bedeutet bei Gold ca. 1680 Dollar. Also kein Grund zur Panik. Nach den kräftigen Kurssteigerungen sind diese Rücksetzer nicht nur normal, sondern sogar wünschenswert. Die „billigen Einstände“ realisieren ihre Gewinne, die Stimmung kühlt wieder ab. Diejenigen, die den Anstieg verpasst haben, fühlen sich jetzt sogar gut, nicht gekauft zu haben. Aber die restlichen 61,8 Prozent Plus bedeuten auch über zwölf Prozent jährlich in den letzten fünf Jahren. Es gibt wenige Branchen bzw. Indizes, die so gut performt haben, aber in den Depots so untergewichtet sind wie Edelmetalle. Viereinhalb Jahre Anstieg, jetzt ein dreiviertel Jahr Konsolidierung. Auch die zeitliche Komponente ist „im grünen Bereich“.

Die aktuellen Kurse sind Kaufkurse. Gold ist aktuell deutlich überverkauft, Korrekturziele sind erreicht und es gibt erste positive Divergenzen. „Gefährlich“ für Käufer, die „ganz unten“ kaufen wollen. Bei 1600 / 1650 Dollar könnte das Umkehrlevel spätestens erreicht sein. Das ist nervig, aber wer hohe Türme bauen will, muss lange am Fundament arbeiten. Wer jetzt nicht kauft, wird auch einen Großteil des nächsten Anstiegs verpassen. Denn, wenn der Börse eine Wiederholung der letzten Performance (2016-2020) gelingt, notiert Gold Ende 2025 bei über 4000 Dollar. Eine interessante Ausgangslage für Goldminen, die heute mit etwa einer PE von ca. 12 (Amazon PE 74) bewertet sind.

Derzeit gelten 4.000 Dollar noch als Utopie (?), doch die Kaufargumente für Edelmetalle haben sich mit Corona nicht verschlechtert, sondern verstärkt. Die westlichen Volkswirtschaften schwächeln noch (niedrigere Steuereinnahmen), die Anzahl der Zombiefirmen schwillt an, die Schulden steigen exorbitant, die Zinsen sind dazu verdammt niedrig zu bleiben. Die Realverzinsung ist und bleibt im Minus. Das Ausmaß wird sich mit steigender Inflation noch erhöhen und damit der Geldwertverlust für alle Anleger noch deutlicher werden, zumal dann eventuell der Ausgleich durch steigende Aktienkurse entfällt. Der Goldanteil am Kapitalvermögen liegt nach verschiedenen Berechnungen bei durchschnittlich ein Prozent. Sollten aufgrund einer alarmierenden Entwicklung an den Kapitalmärkten die Anleger ihren Goldanteil aufstocken wollen, könnten aus der Utopie schnell Kursziele werden.

Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Meinungen und Anlagestrategien finden Sie auf www.v-check.de.

 

 

 

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