
Zollunsicherheit bedroht die Luftfahrtindustrie
15.04.2025 | 21:56
Die Luftfahrtindustrie ist in Aufruhr aufgrund der Unsicherheit über die Zollpolitik der US-Regierung. Delta Air Lines hat eine klare Position bezogen und erklärt, keinerlei Zölle für neue Airbus-Flugzeuge zahlen zu wollen. Dies könnte einen Präzedenzfall für andere US-amerikanische Fluggesellschaften schaffen. Die häufigen Änderungen und zusätzlichen Kosten belasten eine Lieferkette, die bereits mit einem Mangel an Teilen und Arbeitskräften zu kämpfen hat.
Die wechselnde Zollpolitik sorgt für Unsicherheit
Flugzeuge und ihre Triebwerke werden üblicherweise Jahre im Voraus bestellt, und die aktuelle Zollsituation droht, Auslieferungen erheblich zu verzögern. Historisch gesehen spielten Zölle in der Luftfahrtindustrie eine untergeordnete Rolle. Abgesehen von einem 18-monatigen transatlantischen Zollkonflikt agierte die Branche bislang weitgehend ohne größere Zoll Beschränkungen.
Delta Air Lines' strikte Haltung gegenüber Zöllen
Delta Air Lines hat eine klare Position gegen mögliche Zölle auf importierte Flugzeuge bezogen. CEO Ed Bastian erklärte in einer Pressemitteilung zum jüngsten Quartalsbericht unmissverständlich, dass das Unternehmen keine Zollkosten für neue Airbus-Lieferungen übernehmen würde und stattdessen bevorzugt Lieferungen verschieben würde. Diese Entscheidung hat für die strategischer Bedeutung für die Fluggesellschaft, da ihr laufendes Flottenerneuerungsprogramm wesentlich auf Airbus-Modellen basiert. Die derzeit ausgesetzten Zölle könnten verschiedene geplante Lieferungen beeinträchtigen, darunter Langstreckenflugzeuge sowie die in Mirabel, Quebec montierten A220-Jets.
Airbus' Reaktion und mögliche Konsequenzen
Auf die potenzielle Einführung von Zöllen hat Airbus schon seit längerer Zeit Vorbereitungen getroffen. Im Februar 2025 erklärte Airbus-CEO Guillaume Faury gegenüber der New York Times, dass das Unternehmen sich "entsprechend anpassen" würde, indem beabsichtigt wird die erhöhten Kosten an amerikanischen Fluggesellschaften weiterzugeben. Diese Position steht in direktem Widerspruch zu Deltas Weigerung, diese Kosten zu übernehmen.
Während eines Medienbriefings am Airbus-Hauptsitz in Toulouse, Frankreich, betonte Faury, dass das Unternehmen, wie andere auch, "mit Unsicherheit bezüglich Zölle konfrontiert" sei. Beim Airbus Summit 2025 warnte Faury, dass die Zölle wahrscheinlich "für die USA schädlicher" sein würden als für Europa oder anderswo, und US-Verbraucher und Unternehmen statt europäischer Firmen betreffen würden.
Herausforderungen der Luftfahrtindustrie
Die Luftfahrtindustrie steht an einem entscheidenden Wendepunkt. Die aktuelle Zollpolitik verändert das wirtschaftliche Umfeld für globale Fluggesellschaften grundlegend und könnte die Entwicklung der Branche in den kommenden Jahren maßgeblich beeinflussen. Experten prognostizieren eine Spaltung des Marktes: Während Fluggesellschaften mit überwiegend heimischer Flotte wahrscheinlich gestärkt aus der Situation hervorgehen, stehen international ausgerichtete Carrier vor komplexen Herausforderungen bei der Flottenerneuerung und Routenplanung. Die verzögerte Modernisierung der Flotten wird voraussichtlich mittelfristig zu höheren Betriebskosten führen, da ältere Flugzeuge mehr Treibstoff verbrauchen. Diese zusätzlichen Kosten werden den operativen Gewinn der betroffenen Fluggesellschaften in den nächsten zwei bis drei Jahren belasten. Gleichzeitig eröffnet dies Chancen für Unternehmen, die bereits über moderne, treibstoffeffiziente Flotten verfügen oder deren Lieferverträge nicht von Zöllen betroffen sind.Die Branche erfährt zudem eine Neuausrichtung der Lieferketten. Airbus hat bereits angekündigt, Produktionskapazitäten strategisch neu zu bewerten und erwägt die Priorisierung nicht-amerikanischer Kunden. Einige US-Fluggesellschaften intensivieren unterdessen Gespräche mit Boeing, um ihre Abhängigkeit von importierten Flugzeugen zu verringern. Diese strukturelle Verschiebung könnte langfristig die Wettbewerbslandschaft verändern und neue regionale Schwerpunkte in der Luftfahrtindustrie hervorbringen.
Der Zollkonflikt beschleunigt auch bestehende Trends wie die Konsolidierung des Marktes. Kleinere Fluggesellschaften mit geringeren finanziellen Reserven und ohne ausreichende Verhandlungsmacht gegenüber Flugzeugherstellern könnten unter dem erhöhten Kostendruck besonders leiden. Branchenexperten erwarten daher eine Zunahme von Übernahmen und strategischen Partnerschaften in den kommenden Jahren, was die Marktkonzentration weiter erhöhen dürfte. Die unterschiedliche Anpassungsfähigkeit der Unternehmen wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Fluggesellschaften mit flexiblen Leasingverträgen, diversifizierten Flotten und etablierten Wartungskapazitäten für ältere Flugzeugtypen sind besser positioniert, um die aktuelle Unsicherheit zu bewältigen. Die Fähigkeit, Flugzeuglieferungen zu verzögern oder umzuleiten, ohne langfristige Wachstumspläne zu gefährden, entwickelt sich zum kritischen Wettbewerbsvorteil.
Wieso die Branche trotzdem interessant sein könnte
Trotz zahlreicher Herausforderungen könnte die Branche weiterhin interessant sein, da sie sich in einer Phase der Transformation befindet. Die steigende Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen und digitalen Innovationen könnten neue Marktchancen eröffnen. Unternehmen, die sich frühzeitig anpassen und in zukunftsorientierte Technologien investieren, können sich als Vorreiter positionieren. Die Konsolidierung des Marktes führt zudem zu strategischen Übernahmen, wodurch wertvolle Synergien entstehen können. Obwohl kurzfristige Volatilität besteht, deuten langfristige Wachstumsprognosen auf eine positive Entwicklung hin – besonders für Akteure, die sich auf Qualität, Effizienz und Kundenbedürfnisse fokussieren.
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